Im Jahr 1963 war Professor Velvel Green an der Universität von Minnesota ein aufstrebender Stern am Himmel der Wissenschaft. Er wurde als Pionier der Bakteriologie gerühmt, und die NASA lud ihn ein, in einem Team die Auswirkungen der Raumfahrt auf den Menschen zu erforschen. Immer öfter wurde er gebeten, Vorträge zu halten, und bald besuchte der junge Wissenschaftler Universitäten im ganzen Land.

1963 war auch das Jahr, in dem Dr. Green Rabbi Mosche Feller kennen lernte, den Gesandten des Lubawitscher Rebbe in Minneapolis. Bis dahin hatten sich Velvel und seine Frau wie viele amerikanische Juden kaum um ihr jüdisches Erbe gekümmert. Sie hielten das Schabbatgebot, koscheres Essen und Tefillin für altmodisch oder gar primitiv – ohne Bedeutung für ihr modernes Leben. Doch die Begegnung mit den Fellers änderte alles. Das junge chassidische Paar demonstrierte den Greens eine dynamische, befriedigende Weltsicht und eine Lebensweise, die eine tiefe Leere in ihrem so erfolgreichen, aber irgendwie wurzellosen Leben zu füllen schienen.

Auf Vorschlag von Rabbi Feller schrieb Dr. Green dem Rebbe und die herzliche, aufmunternde Antwort des Rebbe kam bald. So entwickelte sich eine Korrespondenz zwischen beiden, und bald bewunderte der junge Wissenschaftler den enormen Geist des Rebbe und seinen rastlosen Einsatz. Jeder Brief ermutigte den Professor mehr, auf die spirituelle Suche zu gehen und ein Leben im Sinne der Tora zu führen. Bald richteten die Greens zu Hause eine koschere Küche ein und begannen, so gut sie konnten, die Schabbatgebote einzuhalten.

Während eines Gesprächs mit Rabbi Feller kam das Thema „Schöpfung oder Evolution?“ zur Sprache. Jetzt offenbarte der Gelehrte sein altes, zorniges Selbst. „Du weißt, dass ich großen Respekt vor der Tora habe“, sagte er. „Ihre Lehre und ihre Gebote spielen jetzt eine sehr wichtige Rolle in meinem Leben. Aber in diesem Punkt lebt ihr noch im Mittelalter. Es erstaunt mich, dass du die Geschichte von der Schöpfung in sechs Tagen immer noch wörtlich nimmst – trotz aller wissenschaftlichen Beweise zum Alter und zur Entwicklung des Universums.“

„Ich gebe zu, dass meine wissenschaftlichen Kenntnisse begrenzt sind“, erwiderte Rabbi Feller. „Ich kann darüber also nicht auf einer Ebene mit dir diskutieren. Aber der Rebbe hat einen langen Brief zu diesem Thema geschrieben, in dem er nachweist, dass die Evolutionstheorie nur eine Theorie ist und eine schlechte obendrein – voller Widersprüche und ohne wissenschaftliche Grundlage.“

Ungläubig entgegnete der Professor: „Die Evolutionstheorie wird von fast allen seriösen Wissenschaftlern unserer Zeit anerkannt! Aber gib mir den Brief – ich möchte lesen, was der Rebbe schreibt.“

Nachdem er den Brief gelesen hatte, war Velvel immer noch nicht überzeugt. Als er Rabbi Feller seine Einwände vortrug, erklärte dieser erneut, er sei nicht qualifiziert, mit einem Wissenschaftler zu diskutieren. „Warum schreibst du nicht dem Rebbe?“ fragte er.

Das tat Dr. Green. Er unterzog die Argumente des Rebbe einer schonungslosen Kritik. „Da ich den Rebbe hoch schätzte“, erzählt er, „verzichtete ich auf den herablassenden Ton, zu dem Wissenschaftler neigen, wenn sie mit Laien reden. Ich sprach mit dem Rebbe, wie ich mit einem Kollegen gesprochen hätte, dessen Ideen ich ablehne. Ich erklärte offen, dass er sich irre und beschrieb, was ich an seinen Argumenten für falsch und unwissenschaftlich hielt. Zum Schluss riet ich dem Rebbe, sich auf sein Fachgebiet – die Tora - zu beschränken und die Wissenschaft den Experten zu überlassen.

Im nächsten Brief griff der Rebbe wieder das ursprüngliche Thema des Briefwechsels auf: Velvels spirituelle Suche und seine jüdische Identität. Der Professor nahm an, der Rebbe habe nachgegeben und räume jetzt ein, dass die Tora der Wissenschaft weichen müsse, wenn es um „harte Tatsachen“ gehe. Die Greens machten weitere Fortschritte und lebten immer mehr nach der Tora, und im Laufe der nächsten anderthalb Jahre berichtete Velvel dem Rebbe von jedem Meilenstein, den er und seine Familie auf der Reise hinter sich gelassen hatten: volle Einhaltung des Schabbats, Taharat Hamischpacha und so weiter. Der Rebbe antwortete aufmunternd mit einem Segen, und einmal schenkte er Green ein Paar Tefillin, die Velvel von da an jeden Tag anlegte.

Dann kam der Brief, in dem die Greens dem Rebbe mitteilten, dass sie ihre Kinder in eine Jeschiwa (eine jüdische Tagesschule) schicken wollten, damit sie jüdisch erzogen wurden. Die Antwort des Rebbe war diesmal besonders herzlich und ermutigend, wie es sich am Wendepunkt eines Lebens schickte. Am Ende seines Briefes fügte der Rebbe hinzu: „Übrigens, was Sie mir über die Schöpfungsgeschichte der Tora geschrieben haben ...“ Und er widerlegte Greens Einwände gegen die „unwissenschaftlichen“ Ideen des Rebbe Punkt für Punkt.

„Vielleicht wundern Sie sich“, schrieb der Rebbe, „dass ich mit meiner Antwort so lange gewartet habe. Aber meine Aufgabe im Leben besteht nicht darin, Diskussionen zu gewinnen. Sie besteht darin, Juden näher an die Tora und ihre Mizwot heranzuführen.“