Rabbi Benzion Wischetzki aus Kfar Chabad in Israel war der Direktor der dortigen Talmud-Thora-Schule „Oholei Thora“. Er selbst war mit seinen Eltern und seinem Bruder von Russland nach Israel eingewandert. In Russland hatte die Regierung sie wegen ihres religiösen Lebensstiles verfolgt.
Eines Tages besuchte er den bekannten chassidischen Rabbiner und „Possek“ (weltweit anerkannte Persönlichkeit für Entscheidungen gemäß jüdischem Recht), Rabbi Schmuel Wosner. Der Rabbi erkundigte sich über das schwere Leben in Russland und erwies ihm gegenüber große Sympathie. Rabbi Wischetzki fühlte die große Sympathie und erlaubte sich, den Rabbi nach einer Geschichte zu fragen, die er über ihn gehört hatte. Rabbi Wosner bestätigte die Geschichte und erzählte sogar einige zusätzliche Details. Die Geschichte lautete wie folgt:
In den Sechziger-Jahren gab es einmal einen Knaben im Bar-Mitzwa-Alter, der schwere gesundheitliche Probleme hatte. Die Ärzte schlugen verschiedene Maßnahmen vor, doch die Situation besserte sich nicht. Der Vater des Knaben schrieb einen Brief an den Lubawitscher Rebben und bat ihn um Rat und um einen Segen. Die Antwort des Rebben folgte bald und war kurz und bündig: „Kontrolliert die Tefilin“. Der Vater hatte die Tefilin des Knaben eben erst anlässlich der Bar Mitzwa erworben, doch er ließ sie dennoch sofort kontrollieren. Nach ein, zwei Tagen erhielt er die Antwort, dass die Tefilin koscher und sogar von besonders guter Qualität waren.
Einige Wochen gingen vorüber. Dem Knaben ging es nicht besser. Der Vater schrieb abermals einen Brief an den Rebben und merkte an, dass er die Tefilin kontrolliert habe und der Experte von der guten Qualität beeindruckt war. Wieder dauerte es nicht lange, bis die Antwort des Rebben einlangte: „Kontrolliert die Tefilin“. Der Vater wusste genau, dass es etwas mit der Antwort des Rebben auf sich haben musste und die Kontrolle wahrscheinlich nicht korrekt durchgeführt worden war. Daher wandte er sich an einen bekannteren Experten und ließ die Tefilin kontrollieren. Er sagte ihm sogar, dass dies die zweite Kontrolle auf Anweisung des Rebben war, und er etwas finden „müsste“. Als er die Tefilin wieder vom Experten abholte, musste ihn dieser jedoch „enttäuschen“. Er hatte nicht einmal den geringsten Fehler gefunden! „Diese Tefilin sind gänzlich koscher und von vorzüglicher Qualität“, sagte er und erwähnte nochmals die Schönheit der Schrift.
Als die Situation des Knaben sich weiterhin nicht besserte, schrieb der Vater ein drittes Mal an den Rebben. Er fügte dem Brief die Ergebnisse der zweiten Kontrolle hinzu und merkte den Namen des Experten an. Die Antwort des Rebben folgte kurz darauf: „Kontrolliert die Tefilin. Beratet euch mit dem Rabbiner der Stadt.“ Als treuer Chassid wollte der Vater den Anweisungen des Rebben Folge leisten. Er suchte einen weiteren Experten auf und als auch dieser keinen Mangel fand, begab er sich zu Rabbi Wosner, um sich, so wie angewiesen, mit dem Rabbiner der Stadt zu beraten. Rabbi Wosner hörte die Geschichte und verstand, dass er vor einem schwierigen Rätsel stand. Er war lange in Gedanken versunken und beschloss dann, den Schreiber der Tefilin vorzuladen. Dieser war wenig später zur Stelle.
Der Schreiber war ein ernsthafter Mann, ein Thora-Gelehrter und ein g-ttesfürchtiger Jude. Er befragte den Schreiber zu seiner Familie, wo er wohnte und wie er seine Arbeit verrichtete. Der Mann beantwortete alle Fragen aufrichtig. Er erwähnte auch, dass er G-ttes Namen nicht schreibe, ohne davor in die Mikwe (Ritualtauchbad) zu gehen. Dieser Satz erweckte die Aufmerksamkeit des Rabbis. Er erinnerte sich daran, dass in der Stadt des Mannes noch keine Mikwe gebaut worden war. „Wie kommst Du damit zurecht, dass es keine Mikwe in Deiner Stadt gibt? Du musst jedes Mal in eine andere Stadt fahren!?“, fragte er. Der Schreiber antwortete, dass er aufgrund dieses Problems seine Schriftrollen zuerst ohne dem Namen G-ttes schreibe, und einen Abstand frei lasse. Danach würde er einmal in die Mikwe fahren und die fehlenden Namen nachträglich eintragen…
„Oj Waj!“, entfuhr es dem Rabbi mit großem Schrecken. Der Schreiber verstand sofort, dass es ein großes Problem gab. Es stellte sich heraus, dass der Schreiber viele Jahre lang nur Thora-Rollen geschrieben hatte. Diese kann man auch nicht der Reihenfolge nachschreiben. Doch bei Tefilin und Mesusot sieht die Halacha vor, dass man jedes Wort der Reihenfolge nach aufschreibt. Sollte man diese nicht der Reihenfolge nachgeschrieben haben, so waren diese ungültig! Der Schreiber hatte diese Halacha im Laufe der Jahre vergessen! Rabbi Wosner wies den Schreiber an, sofort alle seine Kunden zu verständigen und ihnen mitzuteilen, dass die von ihm geschriebenen Tefilin ungültig waren. Weiters verbot er ihm, weiter zu schreiben, bis er die Gesetze des Schreibens nicht wiederholt und genauestens gelernt hatte. Die Tefilin des Knaben wurden gegen neue ausgetauscht und der Knabe wurde wieder gesund.
Als Rabbi Wosner die Geschichte beendete, meinte er: „Ich konnte mit eigenen Augen die Heiligkeit des Rebben und seinen Weitblick sehen. Gelobt ist G-tt, dass dadurch zahlreiche Juden vor dem Anlegen von ungültigen Tefilin gerettet wurden.“
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