Der Tag, an welchem Aron Majmon und seine Frau Rina heirateten, war für sie der Beginn eines gemeinsamen und glücklichen Lebens. Zwei Seelen hatten sich gefunden, die sich einer aussichtsvollen Zukunft sicher waren. Besonders Aron hatte einen guten Grund für seine Gewissheit. Noch vor der ersten Begegnung mit seiner Frau, schrieb Aron dem Lubawitscher Rebben und erzählte ihm über den Schiduch (Heiratsvorschlag), und der Rebbe befürwortete das Treffen mit Rina. Aron und Rina gefielen einander, und nach einiger Zeit kamen die beiden zum Entschluss, dass sie eine gemeinsame Zukunft aufbauen möchten. Wiederum schrieb Aron dem Rebben, und der Rebbe befürwortete den Schiduch. Kurz vor der Hochzeit erhielt Aron vom Rebben ein Schreiben, in welchem der Rebbe das Paar mit einem glücklichen Eheleben segnete. Nach so vielen Segen war es also kein Wunder, dass Aron so große Zuversicht in seiner gemeinsamen Zukunft mit Rina hatte.

Als zwei Ehejahre vergingen, und das junge Paar noch nicht mit Kindern gesegnet wurde, begann Aron sich zu sorgen. Schließlich hatte der Rebbe ihn bei jedem seiner Schritte zur Eheschließung gesegnet; weshalb also wurden seine Frau und er noch nicht mit Kindern beglückt?

Rina sagte Aron, dass er sich an den Rebben bei der sonntägigen Dollarverteilung wenden solle. Doch obwohl Aron mehrere Male vor dem Rebben stand, verschlang es ihm immer die Zunge, und er brachte vor dem Rebben aus Ehrfurcht kein Wort aus seinem Mund. Rina gab nicht nach. „Du musst den Rebben um einen Segen bitten!“ Als schließlich Aron wieder vor dem Rebben stand, fasste er seinen ganzen Mut. Doch im entscheidenden Augenblick zitterten seine Lippen, und es gelang ihm nicht deutliche Wörter aus seinem Mund zu bringen. Schon war der Nächste an der Reihe und Aron wurde nach draußen gedrängt. Doch auf einmal wurde er gerufen, wieder vor den Rebben zu treten! Der Rebbe, welcher seine Notlage spürte, überreichte ihm einen weiteren Dollar und sagte: „Glückwunsch, mein Sohn“.

Aron war überglücklich. Es bestand keinerlei Zweifel, dass ihn der Rebbe soeben ausdrücklich mit Kindern gesegnet hatte. Er schrieb auf den Dollar die genauen Wörter des Segens, das Datum und die Uhrzeit. Er bewahrte den Dollarschein auf und hütete ihn wie seinen Augapfel. Auch Rina wandte sich an den Rebben bei der Dollarverteilung für Frauen, und sie bat um einen ausdrücklichen Segen für einen Sohn. Dies geschah ungefähr drei oder vier Jahre nach ihrer Hochzeit. Der Rebbe erwiderte mit einem breiten Lächeln und sagte: „Nur einen Sohn? Viele Söhne!“ Nach derart besonderen und deutlichen Worten war sich das Paar absolut sicher, dass sich in neun Monaten sein lang ersehnter Wunsch verwirklichen würde.

Doch zu ihrer Enttäuschung geschah dies nicht, weder nach neun Monaten, noch nach neun Jahren. Ihr größter Wunsch blieb weiterhin nur ein Traum...

Vor einigen Jahren saßen Aron und Rina in ihrem kinderleeren Haus in Minnesota, USA und führten noch eines ihrer langen und üblichen Gespräche über ihren Kummer. Das Gespräch führte sie zu Erinnerungen aus der Vergangenheit, und Aron erzählte Rina über seinen Aufenthalt beim Rebben im Monat Tischrej des Jahres 1987. Damals war Aron noch ein Student in der Jeschiwa. Gemeinsam mit Freunden half er in der Küche aus. Jene Küche versorgt jedes Jahr im Monat Tischrej tagtäglich tausende Gäste ehrenamtlich, welche die Feiertage beim Rebben verbringen.

Derjenige, der das gigantische „Projekt der Gastfreundschaft“ auf die Beine gestellt hatte, war Rabbi Mosche Jeruslawski. Nach den Feiertagen versammelte er all diejenigen, welche an der Versorgung der Gäste teilnahmen, und führte sie als Gruppe vor den Rebben zur Dollarverteilung. Als die fleißigen Jünglinge vor dem Rebben standen, blickte der Rebbe Aron lächelnd an und sagte: „Ich danke Dir herzlich, dass Du statt mir die Gäste empfangen hast, da ich sie leider nicht alle persönlich antreffen konnte!“

Rina hörte sich die Geschichte an, und plötzlich funkelten ihre Augen. „Aron, meiner Meinung nach hat Dir der Rebbe bei jener Gelegenheit die Aufgabe Deines Lebens auferlegt, und womöglich hängt unser innerster Wunsch davon ab! Der Rebbe wies Dich darauf hin, Dich der Mitzwa der Gastfreundschaft zu widmen. Lass uns damit beginnen, und mit G-ttes Hilfe wird dies uns Segen bringen!“ Rina gab sich mit bloßen Worten nicht zufrieden. Sie schritt sofort in Aktion. „Aron, ich habe eine Idee. Gehe und kaufe Eier und Käse, sowie Bagels und frisches Gemüse ein. Ich werde Sandwichs vorbereiten. Mit diesen wirst Du dann in die Einkaufszentren gehen und nach Juden suchen; biete ihnen koschere Sandwiches an und lade sie ein, Tefilin zu legen.“

Dies war der erste Schritt des Projekts der Gastfreundschaft von Rina. Als nächstes arrangierte sie ein prächtiges Schabbatmahl für alle Bedürftigen ihrer Ortschaft. Und dann kam der Moment, auf welchen Aron und Rina so lange gewartet hatten. Eines Tages, inmitten ihrer eifrigen Vorbereitungen für ein weiteres „Projekt der Gastfreundschaft“ erhielten sie die glücklichste Nachricht ihres Lebens: Rina war schwanger! Der Segen des Rebben hatte sich endlich verwirklicht.

Am zehnten Schwat jenes Jahres, zweiundzwanzig Jahre nach ihrer Hochzeit, ist der Erstgeborene von Aron und Rina auf die Welt gekommen.