Oft zeigt sich, dass es insbesondere jüdische Universitätsstudenten sind, die sich und anderen die Frage stellen, ob sie eine ganz besondere Aufgabe zu erfüllen haben. Dazu lässt sich folgendes sagen:
Jedem Menschen sind bestimmte Möglichkeiten und Fähigkeiten gegeben, und in ihrem Rahmen muss man denn die Lösung seiner Aufgaben anstreben. Was spezifisch ein Universitätsstudent zu tun hat, erfordert viel Mut und Entschlossenheit; und ganz besonders gilt dies für gesetzestreue Juden. Ein solches Potential muss immer ausgenutzt werden.
Darauf folgt zum Beispiel sofort, dass man dann nicht behaupten kann, die Wissenschaft stünde im Gegensatz zur Religion. Eine solche Behauptung beruht auf einem großen Irrtum. Ihrem ganzen Wesen nach sind Wissenschaft und Glauben gut miteinander vereinbar. G-tt, der die Tora am Berge Sinai gegeben hat, ist auch derjenige, der die Wissenschaft geschaffen hat. Die Tora ist die Wahrheit, und die Wissenschaft ihrerseits ist Wahrheit, und schon deshalb kann es keinen Konflikt zwischen beiden geben. In der Tat bekräftigen gerade die Ergebnisse der in neuerer Zeit durchgeführten Untersuchungen, was in der Tora steht – Ideen, die Wissenschafter noch vor einigen Jahrzehnten nicht für möglich gehalten hätten.
Genau dies aufzuzeigen, also dass Wissenschaft und Religion einander nicht widersprechen, dass im Gegenteil wahre Wissenschaft die Angaben der Tora bestätigt, eben dies ist es, was Studenten als ihre "Mission" ansehen sollten. Wer in den Wissenschaften zu Hause ist und mit ihnen arbeitet, ist besser zu einer Meinungsäußerung auf diesen Gebieten befähigt als ein Laie. Wenn der Laie dazu etwas sagt, dann wird ihm im allgemeinen weniger Beachtung geschenkt als einem Studenten oder Graduierten, der das gleiche Thema anschneidet. Daher muss es gerade der gesetzestreue Student als seine Pflicht betrachten, die oben erwähnte Legende von der "Unvereinbarkeit" zu zerstören.
Die Wissenschaft als solche hat sich nicht vervollkommnet, sie besitzt aber einen inneren Mechanismus zur Selbstkorrektur. Ein neues Ergebnis heute kann eine Hypothese oder eine Schlussfolgerung früherer Jahre umstoßen. Dies lässt sieh durch folgendes Beispiel illustrieren:
Der Tanach (die Bibel) enthält eine Anzahl von Hinweisen, und ebenso haben wir Aussagen unserer Weisen, die alle davon sprechen, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Vor dem 15. Jahrhundert wurden Aussagen dieser Art allgemein akzeptiert. Im 16. Jahrhundert erklärte Kopernikus (nebenbei: ein Mönch und daher ein Gläubiger) aufgrund astronomischer Experimente und Berechnungen die eben genannte Vorstellung für einen Irrtum. Er zeigte, dass die Sonne den Mittelpunkt unseres Sonnensystems bildet und alle Planeten, also auch die Erde, sich um sie bewegen.
Die ganzen folgenden drei Jahrhunderte hindurch sind Rechtfertigungsschriften in riesiger Anzahl verfasst worden, die alle den scheinbaren Widerspruch zwischen der Kopenikusschen Wissenschaft und der Tora zu erklären suchten. In großen Umrissen liefen jene Erklärungen darauf hinaus, die betreffenden Verse der Tora seien nicht wortwörtlich zu übersetzen. Im Jahre 1905 jedoch legte der bedeutende Wissenschafter Albert Einstein eine neue Theorie vor, die seitdem dazu verholfen hat, die Streitfrage zu lösen. Dazu ist auch zu bemerken, dass Einsteins Theorie – das ist die Relativitätstheorie – in ihrer Gesamtheit heute von allen Wissenschaftern akzeptiert wird, während Kopernikus zu seiner Zeit niemals die Zustimmung aller fand.
Es ist eine grundsätzliche These in Einsteins Relativitätstheorie, dass es der Wissenschaft nie gelingen wird, die absolute Wahrheit herauszufinden und so eine völlig gültige Entscheidung zwischen den beiden Sonne-Erde-Systeme zu fällen. Die Relativitätstheorie besagt schon a priori, das wissenschaftliche Wahrheit nie bewiesen werden kann, denn "alles ist relativ". Der scheinbare Konflikt, der über 300 Jahre lang zwischen Wissenschaft und Religion bestand, stellt sich schließlich als "nicht existent" heraus. Denn nach 1905 war es wieder möglich, unsere traditionellen Schriften buchstäblich auszulegen.
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