Die folgende Geschichte erzählte Rabbi Michael Chaszan, ein Rabbi in einer Thoraschule in New York. Er stammt aus Gibraltar, einer britischen Provinz südlich von Spanien. Dort wuchs er in einem jüdischen Umfeld mit Synagogen, orthodoxen Schulen usw. auf. Das Einzige, was fehlte, war eine Jeschiwa. Wer in einer Jeschiwa studieren wollte, musste die Provinz verlassen und in ein anderes Land reisen. Dies war auch der Grund für Rabbi Michaels Umzug im Jahre 1977 nach New Jersey. Er lernte schon davor die Lehre der Chassidut kennen, und fühlte sich insbesondere dem Lebensweg von Chabad verbunden. Da es meistens keinen Direktflug von Gibraltar in die USA gab, machte er einen Halt in London und stieg dann in ein anderes Flugzeug um, das ihn nach Brooklyn zum Lubawitscher Rebben brachte.

So war es auch im Jahr 1981. Als Chassid wollte Rabbi Michael den Rebben um Segen für eine gute Reise bitten. So kontaktierte er aus London den Sekretär des Rebben. Der Sekretär teilte Rabbi Michael mit, dass er in Kürze in das Zimmer des Rebben trete, und bei dieser Gelegenheit würde er ihm über Rabbi Michaels Bitte mitteilen. In zwanzig Minuten könnte er wieder anrufen. Eine halbe Stunde später rief Rabbi Michael an. „Der Rebbe segnet Sie mit einer guten Reise. Er wollte auch wissen, wie es Ihrer Schwester ergeht“, sagte der Sekretär weiter. Diese Frage überraschte Rabbi Michael sehr. Nur einige Stunden zuvor hatte er Gibraltar verlassen; und bis dahin lief bei seiner Familie alles bestens. „Ich habe eine einzige Schwester“, erwiderte er, „und alles ist in Ordnung. Dieses Jahr heiratete sie. Ich habe keine Ahnung, weshalb sich der Rebbe nach ihr erkundigt.“ Doch der Sekretär drängte Rabbi Michael, sich mit seiner Familie in Verbindung zu setzen, um nach dem Wohl seiner Schwester zu fragen.

Rabbi Michael war etwas beunruhigt. Der Rebbe fragt nicht ohne Grund. Sofort versuchte er mit seiner Schwester Kontakt aufzunehmen; das Telefon klingelte etliche Male, aber niemand hob den Hörer ab. Er versuchte es bei seinen Eltern. Auch dort keine Antwort. Bis er sein Flugzeug betrat, versuchte Rabbi Michael seine Familie vergebens zu erreichen.

Als er in den USA ankam, begab er sich sofort zum Lubawitscher Rebben. Dort traf er den Sekretär, welcher im Begriff war, ins Zimmer des Rebben zu gehen. Nach ungefähr einer Stunde traf der Sekretär wieder Rabbi Michael an. „Ich suche Sie schon die ganze Zeit! Als ich Ihren Namen dem Rebben gegenüber erwähnte, reagierte er mit einer unruhigen Frage: „Ich hatte doch bereits gebeten zu erfahren, wie es seiner Schwester geht?!“

Nun geriet Rabbi Michael in Panik. Er versuchte auf ein Neues sich mit seiner Familie in Gibraltar telefonisch in Verbindung zu setzen. Bei seiner Schwester antwortete niemand. Als er bei sich zu Hause anrief, antwortete zu seiner Erleichterung seine Mutter.

Noch bevor er ein Wort aus dem Munde brachte, begann die Mutter sorgevoll zu erzählen, dass ihre Tochter wenige Stunden, nachdem Michael Gibraltar verlassen hatte, auf die Entbindungsstation eingeliefert wurde. Es gab Komplikationen; sie fiel mehrmals in Ohnmacht und verlor viel Blut. Die Ärzte sind nun um ihr Leben besorgt. Sobald Rabbi Michael das Gespräch mit seiner Mutter beendet hatte, rannte er zum Sekretär und schilderte ihm die Lage seiner Schwester. „Ich werde dem Rebben sofort darüber berichten“, antwortete der Sekretär. Nach kurzer Zeit kam der Sekretär mit beruhigender Botschaft aus dem Zimmer des Rebben: „Der Rebbe sagt, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Mit G-ttes Hilfe wird alles in Ordnung gehen!“ Unverzüglich teilte Michael seiner Familie in Gibraltar die gute Nachricht mit. Des Rebben Segen kräftigte den Geist der ganzen Familie und half ihnen, die kommenden Tage in optimistischer Atmosphäre zu verbringen. Einige Tage danach stabilisierte sich tatsächlich der Zustand der Schwester, und sie kam wieder zu Kräften.

Bei der ersten Gelegenheit rief Rabbi Michael seine Schwester an und erzählte ihr, wie sehr sich der Rebbe nach ihrem Wohl erkundigt hatte, ohne dass ihm irgendjemand über ihren kritischen Zustand berichtet hatte. Während Michael ihr die Entwicklung der Dinge schilderte, brach sie plötzlich in Tränen aus. Sie weinte vor Aufregung. Dann erzählte sie: Als sich ihr Zustand verschlechterte und sie spürte, wie ihre Kräfte schwanden, versuchte sie ihre Mutter zu bitten, welche ihr jederzeit beistand, Michael über ihre Lage zu verständigen; er sollte den Lubawitscher Rebben kontaktieren, damit dieser sie segne. Doch aufgrund ihrer Schwäche war sie nicht mehr imstande zu sprechen. Die Mutter konnte nicht mitansehen, wie sich ihre Tochter beim Sprechen plagte. Daher bat sie sie zu schweigen, und sich zu entspannen. Michaels Schwester fühlte sich machtlos. Sie schloss ihre Augen und dachte an den Rebben. Da bat sie ihn um Segen für Genesung...