Vor kurzem gab es in weiten Teilen der USA einige größere Stromausfälle. Ich erinnere mich noch an den Essay, den ich während meiner High School-Zeit über den großen Stromausfall der 60er Jahre schrieb. In Johannesburg, wo ich nun lebe, haben wir viel zu häufig örtliche Stromausfälle. Manchmal hindert es uns sogar daran, am Schabbatnachmittag heißen Tscholent genießen zu können.
All jene Ausfälle sind nichts als kleine Unanehmlichkeiten im Vergleich zum großen Ausfall in Ägypten kurz vor dem Exodus. Plage Nr. 9 war die Dunkelheit und vom biblischen Standpunkt betrachtet würden die heutigen Stromausfälle in die Bedeutungslosigkeit verblassen.
Drei Tage lang lag eine dicke Dunkelheit über das gesamte Land Ägypten. Niemand konnte seinen Bruder sehen, noch konnte irgendjemand drei Tage lang das Haus verlassen. Die Kinder Israels jedoch hatten Licht in ihren Behausungen (Exodus 10:22-23).
Laut den Kommentatoren war es nicht nur das Fehlen von Licht, sondern ein akuter Nebel, der sich mit der Zeit verschlechterte. Die ersten drei Tage konnten sie nichts sehen. Die nächsten drei Tage konnten sie sich nicht einmal mehr bewegen. Aber wie durch ein Wunder gab es in der Straße des jüdischen Viertels von Goschen Licht.
Dieser Vers, "die Kinder Israel hatten Licht in ihren Behausungen", inspirierte den heiligen Rabbi Israel von Ruzhin zu folgender schönen moralischen Interpretation: Jeder Jude ist ein Lichtstrahl. Es hängt nur von seiner oder ihrer "Behausung" ab. Die Umgebung, in der sich ein Jude befindet, kann manchmal einen Schatten über die Spiritualität und das Licht werfen, das der Jude von Natur aus besitzt. Dies ändert jeodch nichts am g-ttlichen Licht, das ihm innewohnt. Nicht jede Umgebung ist förderlich für Licht. Manchmal kann ein Jude durch seine Umgebung negativ beeinflusst werden. An sich ist jeder Jude ein Lichtstrahl.
Glauben Sie an G-tt? Das reicht nicht. Sie müssen auch an Juden glauben. Seien Sie nicht einmal wegen zynischen Juden zynisch. Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist - selbst für jene von uns, die philosophisch gesehen an dieses Konzept glauben. Oft muss ich mit Mitgliedern des Minjans meiner Shul darüber diskutieren. Jemand kommt, um nach dem Verlust eines geliebten Menschen das Kaddisch zu sprechen und die regelmäßigen Teilnehmer der Shul haben manchmal ihre eigenen, kleinen Wetten: wird er den gesamten Zeitraum kommen und das Kaddisch aufsagen oder wird er nach der ersten trauerperiode verschwinden? Einige sind zynisch - zugegebenermaßen aus Erfahrungen aus der Vergangenheit. Sie zitieren das alte jiddische Sprichwort: "der Malach Hamoves (Engel des Todes) füttert die Synagogen". Ich habe oft nicht nur die Rolle des Verteidigers des Glaubens, sondern auch des Verteidigers der Herde. Ich sage ihnen stets, dass sie niemals einen Juden aufgeben dürfen. In der Tat sind wir oft überrascht, dass ein Jude, für den die Shul absolut fremd war, zu einem regelmäßigen Besucher wird.
Ich muss zugeben, dass es auch Zeiten gibt, in denen ich mich daran erinnern muss, nicht selbst zynisch zu werden und zu meinen eigenen ideologischen Grundsätzen zu stehen. Ein besonderes Ereignis vor ein paar Jahren fällt mir diesbezüglich ein. Wir wurden von Freunden eingeladen, mit ihnen eine neue Drama-Dokumentation über den Holocaust anzuschauen. Es war eine lange Produktion und wir waren ziemlich viele Leute. Wir entschlossen uns zu einer Pause. Diese Unterbrechung gab uns die Möglichkeit, das Nachmittagsgebet (Mincha) zu sprechen. Unter den Gästen befand sich auch ein Onkel der Gastgeberin, ein bekannter und erfolgreicher Diamantenhändler, der ebenso bekannt dafür war, ein glühender Atheist zu sein. Ich wusste nicht, was ich mit ihm machen sollte. Sollte ich ihm einen Siddur (Gebetsbuch) anbieten oder nicht? Würde er es als Provokation auffassen und wütend werden? In meiner Ungewissheit entschloss ich mich, nichts zu unternehmen.
Später, als ich mich umsah, war er nirgends zu sehen. Am nächsten Tag bestätigte seine Nichte meinen Verdacht: er war wütend, weil er nicht zum Gebet eingeladen wurde. "Bin ich nicht auch ein Jude"? fragte er sie. Er war zu Recht verletzt und ich unternahm in den kommenden Wochen viele Anstrengungen, um ihn zu befriedigen; um ihm zu versichern, das ich wahrhaft glaubte, er sei so jüdisch wie ich.
Ich habe eine wirklich wichtige Lektion gelernt. Schreibe nie einen Juden ab. Keinen einzigen! Sei niemals zynisch zu Zynikern. Jeder Jude ist ein Lichtstrahl. Alles, was wir tun müssen, ist die Umwelt ein wenig förderlicher zu machen - und das inhärente Licht wird strahlen.
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