Frage?
Ich bin verhältnismäßig spät zum Studium der Tora gekommen. Aber je mehr ich lerne, desto so mehr sehe ich, wie viele Fehler jeder in meiner Umgebung begeht. Dabei meine ich nicht die Menschen, die sich nicht der Tora verpflichtet fühlen. Ich meine die Menschen, die ein Leben gemäß der Tora führen. Es gibt soviel Heuchelei!
Antwort!
Seien Sie nicht so aufgeregt. Dies ist nur etwas Persönliches. Sie sind möglicherweise jemand von den Seelen der Schule Schammais. Erinnern Sie sich an die Geschichte mit dem Talmudgelehrten Schammai? Ein Mann kam und fragte, „Ich werde unter der Bedingung zum Judentum übertreten, dass du mir die ganze Tora lehrst, während ich auf einem Fuß stehe!“ Schammai jagte ihn mit einem Maßstab davon.
So ging er zu Hillel. Hillel sagte zu ihm: „Das, was für dich abscheulich ist, dies füge auch keinem anderen zu. Dies ist die ganze Tora. Der Rest sind Kommentare. Nun geh und lerne!“
Einige Menschen binden ihre Schnürsenkel etwas lockerer. Einige binden sie richtig fest. Für einige ist die Erde ein großer, verschwommener Fleck. Wohingegen andere sich auf jedes Detail, jedes Gewicht und jedes Maß mit einer präzisen Regel fokussieren.
Das Problem ist, die Welt ist ein unordentlicher Platz.
Alles begann, als wir vom Baum aßen, mit dem wir das Gute und das Böse erkennen konnten – unsere Welt wurde zu einem Ort für Verbindungen und Mischungen. Wo immer man Schönheit findet, dort gibt es auch das Gegenteil. Man wird keine Freude ohne Leid finden, keine Freude ohne Schmerz. Man kann nichts erfinden, dass nur Gutes mit sich bringt, oder einen Menschen auf Erden finden, der nur Gutes tut, ohne fehlzugehen.
Wo immer man eine Form des Guten findet, findet man eine andere Art des Bösen. Und wo dies Übel sich nicht mehr befindet, da nimmt ein anderes seinen Platz ein. Du möchtest in einem Menschen das reine und einfache Gute finden? Es wird kaum, wirklich kaum möglich sein.
Dies sagte der weise König Salomon darüber: Weise nichts zurück wegen des Schadens, den es verursachen könnte. Verachte keinen Menschen wegen seiner schlechten Eigenschaften. Sondern nutze alles für den Zweck, den G-tt ihm zugewiesen hat, und lerne von jedem Menschen, was er zu vermitteln weiß.
Aber Sie handeln nach der Art von Schammai – und dies sowohl den Menschen um Sie herum, wie auch Ihnen selbst gegenüber: Sie entwickeln in Ihrem Verstand ein Modell, wie Dinge sein sollten, und wägen alles nach diesem Maßstab ab. Und was denken Sie? Die Dinge sind nicht so einfach.
Ich sage Ihnen nicht, dass sie Ihren Maßstab bei Seite legen sollen. Sondern, dass Sie ihn etwas praxisorientierter nutzen sollten. Dies ist eine unvollkommene Welt. Diesen Maßstab sollte man anlegen. Und dies sowohl bei sich, wie auch bei anderen.
Haben Sie sich jemals mit einem dieser IKEA-Bausätze auseinandergesetzt? Sie fordern Sie immer dazu auf, die Bolzen bis zu dem Zeitpunkt nicht festzuziehen, bis das ganze „Kunstwerk“ zusammengebaut ist.
Hillel fasste es zusammen:
Jagen sie Menschen nicht mit Maßstäben davon.
Sie möchten nicht mit einem Ideal verglichen werden, tun Sie dies also auch nicht bei anderen.
Gehen Sie nun und lernen Sie. Vertiefen Sie Ihr Wissen immer mehr.
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