Frage?

So wie man es in der Sonntagsschule erzählt, verließen die Juden Ägypten in einer dartigen Eile, dass der Teig nicht genug Zeit hatte, um aufzugehen. "Schatz, wir müssen in 10 Minuten los", haben die Männer ihren Frauen gesagt, "nimm etwa Essen und lass uns losgehen!"

Deshalb aßen sie also Mazza - wen interessiert's? Es erscheint überhaupt nicht von Bedeutung. Warum steht Mazza dann während Pessach überhaupt im Mittelpunkt? Ich dachte, Pessach geht um Freiheit, nicht ums Essen!

Antwort!

Denken Sie an das, was Sie gerade geschrieben haben. Die Israeliten mussten dermaßen schnell aus Ägypten raus, dass sie nicht einmal die Zeit hatten, ihr Brot aufgehen zu lassen. Was genau war die Eile? Die Ägypter wurden gerade von 10 Plagen g-ttlicher Strafe heimgesucht, weil sie die Israeliten gefangenhielten, sie waren bereiter denn je, sie ziehen zu lassen. Warum dann die Eile? Hätten sie nicht auch noch ein paar weitere Minuten bleiben können, damit das Brot aufgeht und sie sich ein paar ordentliche Sandwiches für die Reise machen konnten?

Die Antwort lautet: sie flüchteten nicht vor den Ägyptern, sondern vor sich selbst. Zwei Jahrhunderte der Sklaverei haben ihren Tribut vom Geist der Juden gezollt. Sie haben ihre bildhafte Vergangenheit als Kinder Abrahams, Izchacks und Jakows, Pioniere eines Weges höherer Moral, vergessen. Die Korruption und Verdorbenheit der ägyptischen Gesellschaft hat sich langsam in die israelitische Mentalität eingeschlichen und sie assimilierten viel heidnische Ideale. Sie waren Sklaven in Ägypten, nicht nur körperlich, sondern auch geistig.

Es erreichte einen Punkt, an dem ihre einigartige Identität fast verschwunden war. Plötzlich realisierten sie, dass das Erbe von Abraham für immer verlorengehen würde und die Botschaft der Hoffnung, die die Israeliten der Welt mitteilen sollten, nicht überbracht werden könnte. Erst dann schrien sie um Hilfe. Kurz vorm Umkehrgrenzpunkt schrien sie nach G-tt.

Denken Sie an einen Alkoholiker. Für eine Weile täuscht er sich selbst und denkt, die Lage sei unter Kontrolle; er trinke nur in Gesellschaft; es entspannt ihn; nichts ist falsch. Schrittweise ergreift die Gewohnheit von ihm Besitz und er verliert Stück für Stück alles, was er besitzt: seine Familie, seine Arbeit, sein Geld, seine Würde. Aber erst, wenn er ganz unten ist, nichts mehr hat, dann erst dämmert es ihm, dass er ein wahres Problem hat.

Nun muss er schnell handeln. Sobald er das Problem erkannt hat, muss er sich sofort darum kümmern, bevor der Augenblick der Klarheit verschwindet und er wieder in Selbstrechtfertigung verfällt. Er schafft es nicht allein. Er ist zu betrunken, um sich selbst zu helfen. Er muss um Hilfe bitten. Jemand von außen, jemand nüchternes muss ihm aus seiner Sucht helfen. Aber man kann nur helfen, wenn schlagartig dazu bereit ist, keinen Alkohol mehr anzurühren, bis er geheilt ist. Er muss vor dem Süchtigen, der er bis jetzt war, flüchten. Anderenfalls kann der Heilungsprozess nicht einsetzen.

Aus einem Grund ist Mazza der Kern, um den es im Exodus geht. Die Kinder Israels mussten sich hastig aus Ägypten zurückziehen. Ägypten und seine Niedrigkeit hatte sie, kraftvoll wie eine Abhängigkeit, in seiner Hand. Sie mussten erst aus Ägypten raus, um Ägypten aus sich selbst herauszubekommen. Aufschub wäre tödlich. Als sie das Problem erkannt hatten und dann noch gezögert hätten, so hätte dies der Anfang ihres Endes sein können - sie hätten zum Umkehrgrenzpunkt abrutschen können.

Wir alle haben unsere Abhängigkeiten, sei es von schädigenden Substanzen, vergifteten Beziehungen, toxische Angewohnheiten oder negativen Ideologien. Pessach ist eine Rückzugsmöglichkeit zur Entgiftung, wo der Geist der Freiheit an uns appelliert, uns von unserem persönlichen Ägypten zu befreien. Das Mazza erinnert uns daran, dass der erste Schritt zur Freiheit schlagartig erfolgen muss. Kein Zögern, machen Sie einen sofortigen und vollständigen Exodus von dem Sie, das Sie waren und marschieren Sie durch die Wüste zu dem Sie, der Sie sein können.