In den fünfziger Jahren fürchtete sich der Westen vor dem sowjetischen Expansionsstreben. Politiker jeder Couleur warnten vor den Roten, die sich unter unserem Bett versteckten. Noch mehr Aufregung gab es jedoch über die „unterschwellige“ Propaganda.

Angeblich wollten die Kommunisten Fernsehredakteure bestechen, damit sie kodierte Botschaften sendeten, die so schnell über den Bildschirm huschen sollten, dass wir sie nicht bewusst wahrnehmen konnten. Dennoch sollte das Unterbewusstsein von ihnen beeinflusst werden!

Ich weiß nicht, ob das wissenschaftlich haltbar ist oder ob die Werbung diese Idee heute noch nutzt, um Produkte zu verkaufen. Aber an diesem Schabbat sind wir Juden einem ähnlichen Einfluss unterworfen.

Nächste Woche ist Tischa beAw, das 24-stündige Fasten zum Gedenken an die vielen Tragödien, die unser Volk während seiner langen, qualvollen Geschichte heimgesucht haben.

Der Schabbat vor Tischa beAw heißt Schabbat Chason (Schabbat der Vision) nach den ersten Worten der Haftara (Propheten-Lesung) dieser Woche: „Chason Jeschajahu ...“ (die Vision des Propheten Jesaja).

Eine weitere Rechtfertigung für diesen Namen ist die Tatsache, dass uns an diesem besonderen Tag eine Vision vom versprochenen dritten Tempel gewährt wird.

In einem oft erzählten Gleichnis schenkt ein stolzer Vater seinem Lieblingssohn einen wunderschönen Anzug. Der Kleine verdirbt den Anzug, und sein verständnisvoller Vater gibt ihm einen neuen, noch schöneren.

Als das Kind auch den zweiten zerreißt, begreift der Vater endlich, dass sein Sohn noch nicht reif dafür ist, und beschließt, den Fehler nicht zu wiederholen. Er gibt einen dritten Anzug in Auftrag, überreicht diesen aber nicht seinem Sohn, sondern bewahrt ihn in seinem eigenen Schrank auf.

Ab und zu zeigt er seinem geliebten Sohn den Anzug, der auf ihn wartet und ermuntert ihn, verantwortungsbewusster zu werden und sich das Geschenk zu verdienen.

Das Kind in dieser Geschichte symbolisiert das jüdische Volk, der Vater steht für G-tt. Wir hatten einst einen schönen Tempel in Jerusalem, um den alle Nachbarn uns beneideten. Leider wurde dieser erste Tempel wegen unserer Sünden zerstört; aber nach einer kurzen Periode im Exil bauten wir an der gleichen Stelle einen neuen.

Als wir wegen unseres falschen Verhaltens auch den zweiten Tempel verloren, beschloss G-tt, ihn nicht sofort zu ersetzen, sondern ihn im Himmel zu bauen, wo er auf unsere Erlösung wartet.

Zur Vorbereitung auf Tischa beAw, den Jahrtag der Zerstörung beider Tempel, zeigt G-tt uns in einer Vision den dritten Tempel – in der Hoffnung, dass dieser hohe Preis uns inspiriert, zu G-tt zurückzukehren.

Ich muss zugeben, dass ich bisher noch nie würdig war, diese Vision zu sehen. Jedes Jahr am Schabbat vor Tischa beAw denke ich an dieses Gleichnis und frage mich, was mir eine g-ttliche Vision nützt, wenn ich sie nicht sehen kann. Ich bin sicher, dass mit der Quelle der Vision alles in Ordnung ist; aber ich bin offensichtlich nicht auf die richtige Frequenz eingestimmt.

Ich weiß nicht, ob Kommunisten oder Firmen die unterschwellige Werbung je angewandt haben. Aber ich bin sicher, dass G-tt noch viel geschickter ist. Wenn ich es nicht verdient habe, diese jährliche Vision bewusst wahrzunehmen und davon inspiriert zu werden, dann ist das meine Schuld. Dennoch geht die Vision von G-tt aus, und irgendwie, subtil und unterschwellig, höre sogar ich das Versprechen von der bevorstehenden Erlösung. Und unbewusst reagiere ich auf die Aufforderung, mich zu ändern.

Wir sind alle gelegentlich unzufrieden, scheinbar ohne Grund, und das ermuntert uns, bessere Menschen zu werden. Wenn Sie wieder einmal mit sich unzufrieden sind, dann warten Sie nicht einfach, bis das Gefühl verschwindet, sondern machen Sie sich klar, dass es eine „unterschwellige“ Aufforderung von G-tt ist. Und beschließen Sie dann, aufzuwachen und Ihre Pflicht zu tun.