Mit dem Wochenabschnitt Dwarim beginnen wir ebenfalls das gleichnamige fünfte Buch der Tora zu lesen, welches von unseren Weisen sel. A. auch „Mischne Tora“ genannt wird, was soviel wie „Wiederholung der Tora“ bedeutet. Obgleich das Buch Dwarim auch Gebote und Konzepte enthält, die in den ersten vier Büchern der Tora noch keine Erwähnung finden, beinhaltet das Buch Dwarim im Wesentlichen eine Wiederholung der bisher erwähnten Vorschriften. Unser Lehrer Moses richtet sich hiermit an eine neue Generation, welche die Wunder des Auszuges aus Ägypten sowie den Empfang der Tora am Berg Sinai nicht mit eigenen Augen gesehen hat, sowie an alle noch folgenden Generationen. Diese Wiederholung der Lehre kann gleichfalls als Vorbereitung des Jüdischen Volkes für den Einzug nach, sowie das Leben im Land Israel verstanden werden.

Das Überqueren des Jordan stellt nämlich sowohl einen geographischen wie auch spirituellen Übergang dar. Das Jüdische Volk Überstand die vierzigjährige Wanderschaft durch die Wüste nur anhand des übernatürlichen Beistand G-ttes. Jene Generation aß das Manna vom Himmel, trank das Wasser aus der Quelle Miriams, und die Wolke der G-ttlichen Allmacht erhielt dessen Kleidung und bewahrte sie vor den vielen Gefahren der Wüste. Mit dem Einzug in das heilige Land hingegen musste das Jüdische Volk sich von nun ab innerhalb der von G-tt gesetzten natürlichen Grenzen zurechtfinden; jetzt mussten sie das Land bearbeiten und von den Früchten ihrer Hände Arbeit leben. Um einen solchen Übergang zu ermöglichen, bedarf es einem Zugang zur Tora, der die Menschen in Beziehung zu ihren irdischen Bedürfnissen setzt. Und zu diesem Zweck lehrt uns Moses das Buch Dwarim, in welchem indes eine Verbindung liegt, die bis auf den heutigen Tag bestand hat; denn auch heute befinden wir uns an den „Ufern des Jordan“ und bereiten uns darauf vor, alle gemeinsam in das heilige Land zu gelangen – und zwar mit dem Erreichen des messianischen Zeitalters. Und es ist gerade der Ansatz den uns das Buch Dwarim liefert, anhand dessen wir das Wort G-ttes mit irdischer Lebenserfahrung verbinden und dadurch letztlich die Zeit erleben werden, in der „die Erkenntnis G-ttes die ganze Welt erfüllen wird“ (siehe Rambam, Mischne Tora, Hilchot Melachim).

Üblicherweise wird der Wochenabschnitt Dwarim am Schabbat vor Tischa BeAw gelesen. Dieser Schabbat wird auch „Schabbat Chason“, beziehungsweise „Schabbat der Vision“ genannt. Jenen Namen verdankt er dem Haftara-Abschnitt, der an diesem Schabbat gelesen wird und der die Vision des Propheten Jesaja über das künftige Schicksal Israels enthält (siehe Jesaja 1, 1). Gemäß Rabbi Levi Jizchak von Berditchev erhält an diesem „Schabbat der Vision“, der in die neun Tage unserer Trauer um den Verlust des ersten sowie des zweiten Tempels fällt, das gesamte Jüdische Volk eine Vision des dritten Tempels sowie des messianischen Zeitalters. Obgleich dieser Schabbat in die Zeit „inmitten der Bedrängnis“ (siehe Klagelieder 1, 3) sowie tiefer Trauer fällt, zeichnet er sich dennoch von besonders großer Festlichkeit und Freude aus. Der Schulchan Aruch erlaubt uns sogar diesen Schabbat so zu begehen, als fiele er in die Zeit der Regentschaft von König Salomon (siehe Orach Chaim 552, 10). Denn so, wie dieser Schabbat eng mit dem Exil verbunden ist, so gibt er uns gleichzeitig einen Vorgeschmack auf die letztendliche Erlösung aus dem Exil, auf welche kein weiteres Exil mehr folgen wird.

(Basierend auf den Lehren des Lubawitscher Rebben)