Joe und Gertrud fuhren in ihrem 82er Cadillac und zankten lauthals.“Schau uns an!“ ruft Gertrud und klammert sich an der Tür fest, „du sitzt am einen Ende der Bank und ich am anderen.“ Sie seufzt nostalgisch.“ Erinnerst du dich noch daran, als wir frisch verheiratet waren? Da saßen wir viel näher beisammen.“

„Gertrud, Liebes“ meldet ihr Mann sich zu Wort, „ich sitze seit dreißig Jahren exakt in derselben Position, nämlich genau vor dem Lenkrad. Du bist es, die sich entfernt hat!“

Haben nicht alle Beziehungen ihre Höhen und Tiefen? Und ich glaube, in unserer Beziehung zu G-tt geht es uns fast ähnlich. Da sind die Momente der Liebe und Dankbarkeit, und die, die voller Wut und Frustration sind.

Was für eine krasse Aussage, zu sagen „G-tt führte uns aus Ägypten heraus, weil er uns hasst!“Während der 40-jährigen Reise des Volkes Israel durch die Wüste Sinai gab es wunderbare und sehr schmerzvolle Zeiten. Bevor Mose von dieser Welt ging, nahm er sich die Zeit, um über die gemeinsame turbulente Erfahrung zu reflektieren. Als eine Art Couch für das Leben analysierte er die Erlebnisse, die am meisten Herausforderung boten und zeigte Lektionen für das zukünftige Leben auf.

Eines der schmerzvollen Ereignissen, die Mose wieder benannte, war der negative Bericht von 10 der 12 Kundschafter über das Land Israel, 38 Jahre zuvor. Aus Angst, die Eroberung des Landes nicht zu schaffen, nahmen sie dem Volk jeglichen Mut, es überhaupt zu versuchen. Ein wildes Durcheinander war das Ergebnis. Der Gedanke an eine unmögliche, gar selbstmörderische Mission, gegen die Kanaaniter zu kämpfen, wurde immer stärker.

Mose gibt die Atmosphäre von Angst und Paranoia plastisch wider:

Ihr spracht verleumderisch in euren Zelten. Ihr sagtet: „G-tt hat uns aus Ägypten herausgeführt, weil er uns hasst! Er wollte uns den Amoritern ausliefern, um uns zu zerstören.“ (Deut. 1:27)

Was für eine krasse Aussage, zu sagen „G-tt führte uns aus Ägypten heraus, weil er uns hasst!“ Dennoch hat die Tora zu der Zeit, als sich die Geschichte der Spione begab, die radikalen Anschuldigungen nicht erwähnt.

Und so wird die Reaktion des Volkes Israel im Buch Numeri (14:2) beschrieben:

Alle Kinder Israels beschwerten sich bei Mose und Aaron: „Wenn wir doch nur in Ägypten gestorben wären oder in der Wüste!“

Das klingt zwar mutlos, aber kein Wort darüber, dass G-tt sie hasst.

Und nun kommen wir zum Buch Deuteronomium und Mose gibt die Ereignisse nicht nur so wieder, wie sie waren, sondern fügt ein neues Element der Krise hinzu.

Achtet genau darauf, wie Mose seine Worte wählt. „Ihr spracht verleumderisch in euren Zelten.“ Ihre lächerlichen und verleumderischen Anklagen machten sie nicht öffentlich. Das wagten sie nicht. Erst als alle zurück in ihre Zelte gingen, flüsterten sie heimlich und beschwerten sich, dass G-tt sie hasst.

Es gab zwei Arten der Verleumdung. Die öffentlichen Anklagen basierten auf der Realität. Die Wahrscheinlichkeiten würden gegen sie sein, wenn sie für Israel kämpfen würden. Aber heimlich drückten sie etwas aus, was offensichtlich nicht der Wahrheit entsprach. G-tt hasste sie nicht, er liebte sie, und seine Liebe hatte er bereits unzählige Male gezeigt.

Warum hatte Mose das Bedürfnis, ihre verborgenen Anschuldigungen zu enthüllen? Gemäß Rashi, dem Tora-Kommentator, wollte Mose ihnen folgendes sagen: “G-tt liebte euch, aber ihr hasstet ihn“, so wie es heißt: „Was du in deinem Herzen über deinen Nächsten denkst, das sind deine Gedanken.“

Ihr wart es, die enttäuscht und wütend waren, und um euren Groll gegen ihn zu verbergen, projiziertet ihr euren Hass auf ihn. Ihr flüstertet untereinander, dass G-tt euch hasst.

Aber wie ist es mit dem Satz, den Rashi zitiert: „Was in deinem Herzen ist über dein Gegenüber, ist in seinem Herzen über dich!“ Ist die Bedeutung nicht genau umgekehrt in unserem Text? Hier hassen die Juden G-tt, während G-tt unerschütterlich in seiner Liebe ihnen gegenüber fortfuhr. Nach allem, was wir hören, waren ihre Herzen weit entfernt davon, einander zu reflektieren.

Und so spiegelt das jüdische Volk G-ttes Herz wider: „Wie unfair!“ lamentierten sie, „G-tt hasst uns, obwohl wir ihn so lieben!“ Die Krise aufgrund des negativen Reportes der Kundschafter hatte verheerenden Schaden angerichtet! An der Oberfläche ihres Bewusstseins fühlte das jüdische Volk sich von G-tt zurückgewiesen, sie glaubten, er hasste sie. Unter der Oberfläche lag eine intensive Verbitterung darüber, dass G-tt ihnen ein Land versprochen hatte, das unmöglich zu erobern war.

Aber das Gegenteil war der Fall. G-tt liebte sie, trotz ihrer Verbitterung ihm gegenüber. Und hier greift Rashis goldene Regel wieder: „Was du in deinem Herzen über deinen Nächsten denkst, ist in seinem Herzen über dich.“

Mose kommt zu einem bedeutungsvollen Punkt. G-tt liebt dich, selbst wenn du wütend auf ihn bist, Ressentiments hegst gegen ihn, oder Ihn sogar hasst. Und wenn es dir schwer fallen sollte, dies zu glauben, denk an deine eigenen Erfahrungen: „Du, der du dachtest, G-tt hasst dich, obwohl du ihn doch liebst, weiß, was es heißt, bedingungslos zu lieben.“


Mose wollte genau diese Dynamik in ihr Bewusstsein bringen. G-ttes Liebe ist bedingungslos, und diese Gewissheit ist nicht nur Herz erwärmend, sondern hat auch heilende Wirkung.

Wie oft geschieht genau das in unserem Leben! Das Leben ist beängstigend oder enttäuschend, und sofort zeigen wir mit dem Finger auf G-tt: „Du hasst mich scheinbar, obwohl ich gar nichts gegen dich habe!“

Mose nennt hier eine kleine objektive Selbstwahrnehmung.

Dreh deine Perspektive herum, und schon wirst du mit G-ttes Erfahrung fühlenDreh deine Perspektive herum, und schon wirst du mit G-ttes Erfahrung fühlen. Er war gar nichts gegen dich, er liebt dich sogar, obwohl du ihn in diesem Moment gehasst hast.

Wenn wir in der Lage sind, zu sehen, dass uns G-tt trotz der Enttäuschungen und trotz unserer Verbitterung liebt, dann beginnen Ärger und Wut dahinzuschmelzen, - im Angesicht von Wärme und Sorge. Die Umstände mögen schmerzvoll bleiben, aber die Wut fängt an, sich zu verflüchtigen.

Wenn wir diese klassische Erscheinung erleben können, - dass G-tt uns trotz unserer Ressentiments und Schmerzen liebt - werden wir gar keine andere Wahl haben, als ihn auch zu lieben.1