In der dieswöchigen Sidra Lech Lecha wird dargestellt, wie Abraham, Vater des jüdischen Volkes, von G-tt die Ankündigung erhält (Genesis 15, 12-17), seine Nachkommen würden in die Galut gehen müssen, das ist: Exil und Zerstreuung unter den anderen Nationen. Heute, fast 4000 Jahre nach jenem Ereignis, müssen wir, wenn wir unsere Geschichte überschauen, auf eine Galut nach der anderen zurückblicken, auf Unterdrückungen, Verfolgungen und weitere Zerstreuung; und wir fragen uns: Wie war es möglich, dass wir all dies überleben konnten, worin besteht das Geheimnis unserer Überlebenskraft?

Unser Volk ist eines der ältesten auf der Erde, mit einer Geschichte, die bei der Offenbarung am Berge Sinai anfing, vor über 3300 Jahren. Im Verlauf dieser vielen und langen Jahrhunderte haben wir in den verschiedensten Lagen und Zuständen leben müssen, an weit voneinander entfernten Plätzen überall auf der Welt. Die wesentlichen Elemente, die die Grundlage der Existenz unseres Volkes und die eigentliche Quelle seiner einmaligen und einzigartigen Stärke bilden, sind nicht etwa in seiner außerordentlichen Körperkraft oder seinen besonderen geistigen Charaktermerkmalen zu suchen, noch in seiner Sprache, seinen Sitten und Lebensgewohnheiten im breiteren Sinne, noch sogar in einer sogenannten "Rassenreinheit"; denn was den letzteren Punkt spezifisch betrifft, so gab es Perioden in der Frühgeschichte unseres Volkes, wie auch im Mittelalter und selbst in neueren Zeiten, da ganze Völkergruppen und Stämme zu Proselyten und damit Teil unseres Volkes wurden.

Das wesentliche Element vielmehr, welches dazu angetan ist, zu allen Zeiten unsere weit verstreute Nation zu einigen und uns wahrhaft zu einem Volke zu schweißen, ist angezeigt durch die Tora und die Gebote, es ist das jüdische Lebensprinzip, also jene jüdische Weltanschauung, die sich grundsätzlich gleich geblieben ist in allen Zeitaltern und an allen Orten. Die Schlussfolgerung ist über jeden Zweifel erhaben: Tora und Mizwot sind es, die unser Volk auf der Weltenbühne unzerstörbar gemacht haben, sowohl angesichts aller Metzeleien und Pogrome (welche unsere physische Zerstörung zum Ziele hatten) wie auch ungeachtet aller ideologischen Angriffe (die unsere geistigen Vernichtung anstrebten).

Immer erneut lehrt uns unsere Geschichte jene uralte und zeitlose Lektion, wie sie sich, zu unserem großen Leidwesen, sogar in der jüngsten Vergangenheit bewahrheiten sollte – nämlich dass auch die intensivste Assimilation, selbst wenn sie sich über mehrere Generationen erstreckt, keinen Schutz gegen die Hamans und die Hitlers bietet. Kein Jude kann sich dadurch von seinem Volke trennen, dass er auf diese Weise zu entrinnen versucht; denn unsere Feinde kennen sehr wohl die wesentlichen Eigenschaften und Charaktermerkmale der Juden, wodurch alle von ihnen, ob sie es nun wollen oder nicht, als "ein Volk" geeint und identifizierbar sind. Das ist es, was Haman meinte, als er sagte (Esther 3, 8): "Ihre Gesetze sind verschieden von denen anderer Völker".

Die Assimilation ist nicht unsere Rettung. Im Gegenteil, unsere Rettung, letzten Endes unsere nackte Existenz, hängt genau von dieser Wahrheit ab: "Ihre Gesetze sind verschieden".

Die Stärke unseres Volkes in seiner Gesamtheit wie auch die jedes Juden und jeder Jüdin individuell ergibt sich daraus, dass sie unserem ureigenen geistigen Erbgut die Treue halten und sich ihm näher und näher anschließen. Das ist das wirkliche Geheimnis eines harmonischen – und damit eines gesunden und glücklichen – Lebens.

Zusammenfassende Übersicht:

Schon unserem Vater Abraham wurde von G-tt das Exil seiner Kinder in Aussicht gestellt. Angesichts all der Nöte und Angriffe, denen das jüdische Volk überall und ohne Ablass ausgesetzt war, ist die Frage nicht zu umgehen: Worin liegt das Geheimnis der Unzerstörbarkeit der Juden?