Angesichts des in wenigen Tagen bevorstehenden Schawuot-Festes ist es passend, die folgenden Auszüge aus einem Brief des Lubawitscher Rebben zu zitieren. Es handelt sich um ein Schreiben an eine Gruppe von Freunden, die ihm einen wertvollen "Aron Hakodesch" (einen Schrein für eine Tora-Rolle) zum Geschenk gemacht hatten.

Die hauptsächliche Idee, die einem "Aron Hakodesch" (einer Heiligen Lade) zugrunde liegt, ist diese: Hier ist ein Gegenstand, hergestellt aus Holz, aus Metall oder aus irgendeinem anderen Material, der dazu bestimmt und geweiht ist, eine Tora-Rolle zu beherbergen, die ebenfalls aus Materie besteht (Pergament, das mit Feder und Tinte beschriftet worden ist), und die dabei doch geheiligt ist, weil diese Beschriftung das Wort G-ttes enthält, das Endgültige alles dessen, das vergeistig und heilig ist. Eben weil die Lade dadurch zu einem heiligen Gegenstand geworden ist, dass sie das heiligste aller Objekte, nämlich ein Sefer Tora, in sich birgt, pflegt man sie besonders schön herzustellen und auszustatten. Auch dort, wo ein "Aron Hakodesch" außer seinem eigentlichen Raum noch niedrigere Fächer enthält, werden diese gleichfalls nur für die Aufbewahrug geweihter Dinge benutzt.

Der Mensch gleicht einem "Aron Hakodesch". Der Körper, wie er sich am Knochen, Geweben usw. zusammensetzt, ist etwas Physisches, aber in ihm ist die Seele zuhause, und diese ist etwas Geistiges, geheiligt und unbefleckt. Folglich muss auch der Körper heilig gehalten werden, wie eine Lade zur Aufbewahrung eines Sefer Tora.

In der Tat darf dieser Vergleich auf die ganze Welt ausgedehnt werden, in der doch G-tt befohlen hatte, ein "Mikdasch" zu errichten, ein Heiligtum, aus dem dann G-ttes Licht und Weihe sich über die ganze Welt ausdehnen und diese vollständig durchdringen sollten.

So muss denn jeder einzelne sich bemühen, aus seinem Herzen und seinem Gehirn – obgleich diese aus physischen Substanzen bestehen – "Heiligtümer" zu machen, das heißt, geweihte Verwahrungsorte für noch heiligere Güter und Eigenschaften, abgestimmt auf die höchste Heiligkeit und Vollkommenheit, welche G-tt in Seiner Tora und Seinen Geboten enthüllt hat. Das schließt auch ein, dass sogar die "niedrigeren Fächer" – wenn also zum Beispiel Herz und Verstand eine "niedrigere" Aufgabe verfolgen, materielle Belange wie Geschäfte und Arbeitsleistungen – nicht als Selbstzweck angesehen werden, sondern als Mittel zu einem höheren, vergeistigten Zweck. Dadurch erhalten dann auch die weltlichen Beschäftigungen des Alltags einen anderen Charakter, eine höhere Bedeutung und einen gesteigerten Wert.

Dieser Zustand würde dem des Heiligtums entsprechen, das auf G-ttes Geheiß in dieser materiellen Welt errichtet wurde, und zu dem das jüdische Volk Material beisteuerte wie Gold, Silber und Kupfer; und schon durch diesen Akt vertieften sie – erst einmal – die Heiligkeit der Beiträge als solcher, während sie außerdem damit die eigentliche Müheveraltung heiligten, die sie auf den Erwerb all ihrer materiellen Güter anwandten, einschließlich ihrer hauptsächlichen Arbeit, die immerhin der Gewährung ihrer persönlichen Notwendigkeiten und der Bedürfnisse ihrer Familien zu gelten hat.

Beide Heiligtümer – also sowohl das "Heiligtum" in jedem Juden, Mann oder Frau, wie das Heiligtum, dessen Errichtung als Seine Wohnstätte G-tt hier auf der Erde anbefohlen hatte – finden in einem einzigen Tora-Vers Erwähnung, und zwar (Exodus 25, 8): "Sie sollen Mir ein Heiligtum machen, und Ich werde in ihnen weilen." Wie unsere Weisen den Vers erklären, ist dieses Weilen G-ttes "in jedem einzelnen von Ihnen". So ist es, in anderen Worten, der Endzweck des für G-tt errichteten Heiligtums, dass aus jedem jüdischen Herzen und Hirn eine passende Wohnstätte für G-tt gemacht werde.

Daraus folgt sofort dieses: Obwohl gegenwärtig unser Heiligtum, der Tempel, nicht besteht und erst erbaut werden wird, wenn der Maschiach kommt, besteht auf jeden Fall dauernd und immer das Heiligtum in Juden, in jedem Mann und jeder Frau; und es ist seine individuelle Aufgabe, es wirksam und in gutem Zustand zu erhalten, damit es seiner Aufgabe nachkommen kann, und diese ist, das ganze Alltagsleben zu heiligen und zu weihen. So soll denn jeder aus seinem persönlichen Leben einen "Aron Hakodesch" machen und ebenso seiner Familie, damit auch seine Kinder von diesem Geiste völlig durchdrungen sein mögen.