Bald feiern wir das Schawuot-Fest, an dem wir der Offenbarung der Tora gedenken, G-ttes herrlichster Gabe an das jüdische Volk. Ein besonderer Gedanke dazu sei hier herausgestellt.
Ebenso wie G-tt unendlich und ohne Grenzen ist, so ist die Tora – nachdem sie von G-tt selbst gegeben worden ist – unendlich. Es gibt verschiedenartige Gesichtspunkte, von denen aus man als Einzelmensch die Tora betrachten kann. Manche sehen die Tora als ein Mittel an, um Lohn zu erwerben oder sich einer Strafe auszusetzen, so wie die Tora es ja auch verspricht. Andere wiederum verstehen sie als eine Anleitung zu einer guten, heilsamen Lebensweise und als ein ideales soziales System. Beide Ansichten sind jedoch eigentlich zu eng.
Chassidische Lehren gehen über diese Auffassungen der Tora hinaus; der Chassidismus unternimmt es, tiefer in die wesentliche und innere Bedeutung der Tora einzudringen. In der Philosophie des „Chabad“-Chassidismus verfolgt die Tora – als tiefsten Zweck – das Ziel, als Verbindungsglied zwischen Schöpfer und Schöpfung zu dienen.
Eine kurze Erläuterung zu diesem Thema ist angezeigt:
Die geschaffene Welt allgemein ist in vier „Reiche“ aufgeteilt: Das erste und niedrigste ist das Reich der leblosen, inorganischen Materie, wie zum Beispiel Steine, Sand oder Wasser. Das nächsthöhere ist das Pflanzenreich, und darüber wieder steht das Tierreich. Schließlich kommt, auf der höchsten Stufe der Schöpfung, der denkende und der Sprach mächtige Mensch. Alles Geschaffene ist endlich – nur der Schöpfer (G-tt) ist unendlich. Zwischen diesen beiden gibt es keinen gemeinsamen Generalnenner. Für den Schöpfer besteht an sich kein Unterschied zwischen dem intelligentesten aller Menschen und dem gröbsten Stein! Beide sind etwas Geschaffenes, und als solches stehen sie in keinem wechselseitigen Verhältnis zum Schöpfer. Das bedeutet, dass es selbst dem größten menschlichen Genie unmöglich ist, G-tt mit seinem Verstande zu begreifen.
Dennoch gab G-tt dem Menschen ein Mittel und eine Methode, sich Ihm zu nähern und mit Ihm in Verbindung zu treten. G-tt hat uns gezeigt, wie das an sich unbedeutende Geschöpf über seine ihm angeborenen Begrenzungen hinaus vordringen und eine Verbindung zu dem unendlichen G-tt herstellen kann – und zwar durch das Studium Seiner Tora und die Befolgung Seiner Gebote.
Dieses ist der wichtigste Aspekt von Tora und Mizwot. Mit ihnen nämlich sind uns die Mittel in die Hände gegeben, aus unserem Stand als Kreaturen, als Sterbliche, hinauszubrechen. Durch sie sind wir in die Lage versetzt, einen weit höheren Grad von Vollkommenheit zu erreichen, als es uns je möglich wäre, würden wir uns allein auf unsere eigenen – geschaffenen und daher begrenzten – Denkfähigkeiten verlassen wollen.
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