Zu Beginn unseres Wochenabschnitts gebietet G-tt Mose: Sprich zu den Kohanim (Priester), den Söhnen Aarons und sag ihnen.1 Das Befehlsverb in diesem Vers kommt zweimal vor „sprich – sage“. Raschi erklärt dazu: „Sprich und sage – das verwarnt die Großen betreffs der Kleinen.“2 Das heißt, dass die erwachsenen Kohanim ihre Kinder zu erziehen haben, sich vor Unreinheit zu hüten.

Die Verwendung dieser zwei Befehlsverbe kann aber noch anders interpretiert werden: der erste Befehl richtet sich, wie erklärt, an die erwachsenen Kohanim und der zweite Befehl an den jüdischen Gerichtshof, der die Kohanim überwachen soll, dass sie sich als Kohanim dementsprechend verhalten (sich nicht verunreinigen, wodurch ansonsten der Tempeldienst in Unreinheit vollbracht werden würde). Eine Andeutung darauf finden wir an einer anderen Stelle in unserem Wochenabschnitt: Und Mose sprach zu Aaron und seinen Söhnen und allen Kindern Israels.3 Erklärt dazu Raschi: (Was haben alle Kinder Israels mit den Regeln für die Kohanim zu tun? – sondern damit ist der Gerichtshof gemeint) „Allen Kindern Israels – zu verwarnen den Gerichtshof betreffs den Kohanim.“

Da es zwei Erklärungen für „sprich – sage“ gibt, ist abzuklären, was Raschi dazu führt „sprich – sage“ als Warnung an die Kohanim betreffs ihrer Kinder zu interpretieren und nicht als Warnung an den Gerichtshof betreffend der Kohanim.

Zäune um das Gesetz

Raschi bevorzugt die erste Erklärung (die Warnung an die Kohanim betreffend ihrer Kinder), da es eine Faustregel gibt: „Die Kohanim sind flink.“4 Deshalb besteht keine Notwendigkeit der Aufsicht durch den Gerichtshof, denn die Kohanim befolgen sogleich ihre Aufgaben und halten sich streng an ihre Regeln. Somit kommt für Raschi nur für „sprich – sage“ die Interpretation „das verwarnt die Großen betreffs der Kleinen“ in Frage.

Wieso aber dennoch verordnete Mose dem Gerichtshof, über die Kohanim zu wachen? Die Thora ordnete dies nicht an, sondern diese Anordnung kam von Mose. Obwohl auch er sich bewusst war, dass die Kohanim flink sind, sah er es für richtig, eine weitere Sicherheitsmaßnahme zu ergreifen, denn die Thora befiehlt „einen Zaun um das Gesetz“5 zu legen. Dies erfolgte durch die Einschaltung des Gerichthofs. Durch seine Kontrolle konnte sichergestellt werden, dass in jedem Fall die Kohanim ihre Reinheit bewahren und der Tempeldienst in Reinheit vollbracht wird.

Der Kohen in der Seele

So wie es im jüdischen Volk die Kohanim gibt, die das restliche Volk mit ihrer Heiligkeit beleuchten sollen, besteht diese Unterteilung auch im Menschen. Es gibt den Körper mit all seinen Gliedern, den es zu körperlichen und weltlichen Angelegenheiten zieht und es gibt den „Kohen“, die g-ttliche Seele, welche ständig mit G-tt verbunden ist und den Körper ebenfalls an G-tt binden möchte.

Vom „Kohen“ gibt es jedoch zwei Stufen: In der einen Stufe ist der Kohen flink und eifrig und braucht keine Unterstützung von draußen; doch es gibt auch eine Stufe, in der der Kohen müde ist und schlummert. Da bedarf es Hilfe von draußen.

Aufwachen

Der Kern der Seele ist niemals müde oder schlummert, denn auf dieser tiefen Stufe spürt sie G-tt und haftet an Ihm. Doch auf einer niedrigeren Stufe kann es sein, dass die Seele G-tt nicht mehr spürt und in einen Schlaf fällt. Dies beginnt, sobald die Seele sich in den Verstand kleidet. Der Verstand in seinem Wesen versucht alles rational zu erfassen und verdrängt die Seele, deren stärkster Ausdruck der Glaube ist, in den Hintergrund. Auf dieser Stufe kann es passieren, dass die Seele in einem Zustand der Ohnmacht fällt und G-tt nicht mehr spürt. Dies deutet der Vers im Hohelied an: Ich schlafe, doch mein Herz ist wach6 – auch wenn der Glaube und die Liebe zu G-tt im Verstand schlummern, bleibt der Kern der Seele (mein Herz) ständig wach und ist eifrig.

Deshalb muss sich der Mensch nicht den Glauben an G-tt aneignen, als wäre es etwas Neues für ihn, denn er hat diesen reinen Glauben und den großen Eifer für G-tt schon immer in sich getragen. An ihm liegt es, nur die Seele in dieser Stufe aufzuwecken, indem er sich mit dem Thorastudium, dem Gebet und dem Erfüllen der Mitzwot beschäftigt.

(Likutej Sichot, Band 37, Seite 61)