I. Der Monat Ijar hat einen Vorteil gegenüber allen anderen Monaten des Jahres: Jeder einzelne Tag dieses Monats ist mit einer besonderen Mizwa verbunden, nämlich der Mizwa von Sefirat haOmer (Zählen des Omer).1

Im Monat Nissan wird nur die zweite Hälfte gezählt, im Monat Siwan nur die ersten paar Tage. Im Monat Ijar hingegen hat jeder Tag diese besondere Qualität.

Die Monate Tischrej und Nissan sind ebenfalls besonders: Den größten Teil von Tischrej und den ganzen Nissan rezitieren wir nicht das Tachanun-Gebet.2 Außerdem heißt es über den Monat Nissan: „Dieser Monat soll für euch der erste der Monate sein.“3 Schelah interpretiert dies so, dass alle Tage von Nissan die Qualität von Rosch Chodesch haben.4 Dennoch haben die besonderen Qualitäten von Tischrej und Nissan nichts mit der Awoda des Menschen während dieser Zeit zu tun. Sie sind Qualitäten, die diesen Zeitabschnitten selbst innewohnen. Der Vorteil von Ijar hingegen hängt mit dem eigenen Tun des Menschen zusammen, d. h. mit der Mizwa des Omer-Zählens.

Die Verbindung zwischen den „Tagen von Sefira“ und der „Mizwa von Sefira“ ist enger als die zwischen anderen besonderen Zeiten und den dann zu verrichtenden Mizwot. Denn zu allen anderen besonderen Zeiten gibt es keinen inneren Zusammenhang zwischen der Mizwa und dem jeweiligen Tag selbst. Zum Beispiel gibt es eine Mizwa, an Pessach Mazza zu essen: Die Mizwa, Mazza zu essen, ist völlig verschieden von dem Tag des fünfzehnten Nissan, an dem sie befolgt wird, außer dass die Verpflichtung dieser Mizwa an diesem Tag besteht.5 Anders ist es jedoch bei Sefirat haOmer: Hier besteht die Mizwa darin, diesen bestimmten Tag zu zählen. Die Einzigartigkeit des Monats Ijar besteht also darin, dass alle seine Tage selbst mit einer Mizwa verbunden sind.

II. Die Mizwa von Sefirat haOmer bezieht sich auf jeden Tag, der gezählt wird. Darüber hinaus berührt die tägliche Zählung alle Tage in der Zählperiode, einschließlich der Tage, die bereits vergangen sind,6 und der Tage, die noch vor uns liegen, und sie ist relevant für die allgemeine Vorbereitung auf Kabbalat haTora (den Empfang der Tora am Schawuot, der unmittelbar nach der Zählung folgt).7

Diese besondere Qualität gilt für alle Tage der Sefira gleichermaßen.

Mit anderen Worten: Der Monat Ijar hat etwas Einzigartiges, das allen Tagen dieses Monats gemeinsam ist.

III. In jedem Monat gibt es Unterschiede zwischen dem ersten Teil des Monats und dem letzten Teil.

Im Pardes Rimonim heißt es, dass die zwölf Monate des Jahres den zwölf verschiedenen Buchstabenkombinationen des Tetragrammatons (des G-ttlichen Namens Hawaja) entsprechen.8 So wie das Tetragrammaton vier Buchstaben hat, hat auch jeder Monat vier Wochen. (Die zusätzlichen Tage, die über die vier Wochen hinausgehen, werden an diese vier Wochen angehängt und gehen in ihnen auf). Und so gibt es weitere Analogien.

Im Tetragrammaton unterscheidet sich jeder Buchstabe in seinem Rang oder seiner Qualität von allen anderen. Auch die Verbindung der ersten Hälfte des Tetragrammatons in seiner regulären Schreibweise oder Kombination, also Jud-Hej, unterscheidet sich von der zweiten Hälfte, d. h. Waw-Hej, und ist dieser übergeordnet;9 und so ist es auch mit den anderen (elf) Kombinationen der Buchstaben im G-ttlichen Namen. Dasselbe gilt für jeden Monat: Jede Woche unterscheidet sich von den anderen, und im Allgemeinen ist die Verbindung der ersten beiden Wochen gegenüber der Verbindung der letzten beiden Wochen höherrangig.10

Diese Unterscheidung hat praktische Auswirkungen. Zum Beispiel gibt es einen Unterschied zwischen der ersten und der zweiten Monatshälfte in Bezug auf die Durchführung von Hochzeitszeremonien.11 Im Monat Ijar sind jedoch alle Tage gleich, was die oben erwähnte Awoda des Menschen betrifft.

IV. Wie kann man erreichen, dass alle Tage des Monats Ijar von gleicher Qualität sind? Darauf spielt schon sein Name an: Ijar (buchstabiert Alef-Jud-Jud-Resch) ist ein Akronym für Awraham, Jizchak, Jaakow und Rachel, die vier Vorfahren, die zusammen das Prinzip der Merkawa verkörpern.12 Diese Anspielung (das Akronym von Ijar) findet sich sogar im halachischen Kontext.13

Das Konzept eines Wagens (Merkawa) wird im Tanja14 erklärt, um zu verdeutlichen, dass alle Teile vollkommen heilig und von weltlichen Dingen losgelöst sind. Die Implikation ist, dass man völlig frei von Eigeninteresse ist. Sogar in physischen Beschäftigungen – „in all deinen Wegen“ – gibt es nur „erkenne Ihn“15, eine totale Unterwerfung unter die G-ttlichkeit, vergleichbar mit einem Wagen, der nur dem ausschließlichen Zweck dient, den Willen des Wagenlenkers auszuführen. Wenn man sich in einem solchen Zustand befindet, sind alle Tage gleich, denn der gesamte Sinn für die Realität ist nichts anderes als die G-ttlichkeit.

Die Awoda im Sinne von Merkawa des Monats Ijar bewirkt, dass dieser Monat ein Vermittler zwischen den Monaten Nissan und Siwan sein wird: ein Vermittler zwischen dem ersten Monat

– dem Monat des Exodus „Wenn du das Volk aus Ägypten geführt hast“ (zum Zweck und in der Art von) „ihr werdet G-tt auf diesem Berg dienen“16, wobei die Formulierung „ihr werdet dienen“ den Dienst eines Dieners bedeutet, d. h. durch Kabbalat Ol (Unterwerfung unter das Himmlische Joch) –

und dem dritten Monat (Siwan), in dem „die dreifache Tora dem dreifachen Volk gegeben wurde.“17

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten am Schabbat Acharej 5719)