Die erste Übersetzung der Thora wurde durch Mose durchgeführt. Dies geschah vor dem Eintritt in das Heilige Land. So erklären unsere Meister den Vers Mose begann die Erläuterung dieser Lehre:1 „In siebzig Sprachen erklärte er dem Volk die Thora.“2 Er ordnete sogar dem Volk an, die Thora in siebzig Sprachen niederzuschreiben.3
In Masechet Sofrim4 steht jedoch, dass der ägyptische König Talmi fünf jüdischen Schriftgelehrten befahl, die Thora ins Griechische zu übersetzten. Und jener Tag war für das jüdische Volk so düster, wie der Tag, an dem das goldene Kalb kreiert wurde. Warum galt die Übersetzung der Thora als derart schlimm? – „weil man sie nicht originaltreu übersetzen konnte.“5
Wie ist dies zu verstehen? Mose hatte doch schon die Thora in siebzig Sprachen übersetzt, Griechisch inkludiert!
Einen Ersatz für Mose
Die Antwort darauf liegt bei einer näheren Betrachtung der Aussage aus Masechet Sofrim, welche die Übersetzung der Thora nicht mit der Sünde des goldenen Kalbs vergleicht, sondern mit dem Tag, an dem das goldene Kalb kreiert wurde. Denn sowohl die Kreierung des goldenen Kalbs, wie auch die Übersetzung der Thora durch den König Talmi waren von guter Absicht, doch das große Problem damit war, dass dies verheerende Folgen haben konnte.
Bezüglich dem goldenen Kalb erklären die Thora-Kommentatoren,6 dass das jüdische Volk das goldene Kalb nicht kreierte, um G-tt zu ersetzen, sondern es sollte ein Ersatz für Mose sein. Ihre Begründung war: Denn wir wissen nicht, was mit dem Mann Mose passiert ist.7 Das jüdische Volk erkannte sehr wohl, dass es einen Vermittler zwischen dem Volk und G-tt geben musste. Diese Rolle wurde Mose zuteil, wie er selbst sagte Ich stehe zwischen G-tt und euch.8 Als er nun nicht mehr vom Berg kam, sahen sie Bedarf für einen neuen Vermittler – das Kalb.
G-tt wählt den Vermittler
Die Absicht des Volkes war an sich gut. Darin lag auch der Sinn des Heiligtums – G-ttes Heiligkeit mit der materiellen Welt zu verbinden. Im Heiligtum selbst kam die Stimme G-ttes aus der der Bundeslade9 hervor. Dies war auch der Beweggrund des Volkes bei der Kreierung des goldenen Kalbs: Es wollte einen Vermittler auf dieser Welt für G-ttes Wort. (Die Entscheidung fiel auf ein Kalb, weil es, genauso wie der Mensch, als ein heiliges Element in den oberen Welten gilt.)
Doch das Volk beging einen großen Fehler: Denn sobald G-tt festlegt, dass Er sich mittels irgendeines „Vermittlers“ auf der Welt offenbart, spürt der Empfänger nichts anderes, außer die Offenbarung G-ttes. Der Vermittler wird als eine „hohle Existenz“ angesehen, die nur das Wort G-ttes wiedergibt. Doch wenn der Mensch sich entscheidet, einen „Vermittler“ zwischen G-tt und ihm zu stellen oder zu kreieren, kann dem „Vermittler“ so viel Wichtigkeit zugeschrieben werden, bis er selbst zu einer Gottheit wird; das Resultat ist purer Götzendienst. Deshalb gilt der Tag, an dem das Kalb kreiert wurde, als so schlimm.
Falsche Übersetzung
Genauso handelt es sich auch mit der Übersetzung der Thora: Als Mose die Thora übersetzte, tat er dies auf g-ttlichem Befehl. Deshalb ruhte die Heiligkeit der Thora auch auf der Übersetzung, welche Fehlinterpretationen vermied. Doch als die Thora auf Anordnung von dem König Talmi übersetzt wurde, gab es dabei keine Heiligkeit und es bestand die Gefahr, dass die übersetzte Thora falsch interpretiert und missverstanden werden konnte. Dies hätte verheerende Folgen. Deshalb mussten die Schriftgelehrten bei gewissen Stellen von einer originaltreuen Übersetzung abweichen, damit es nicht zu einer falschen Interpretation der Thora kommt. Die Gelehrten hatten zwar keine andere Wahl, doch darauf sagt der Talmud, dass jener Tag für das jüdische Volk so düster war, wie der Tag, an dem das goldene Kalb gemacht wurde, weil die Thora zum ersten Mal nicht originaltreu übersetzt wurde.
Doch zu guter Letzt führte diese Übersetzung zu keinen negativen Folgen und es wurde sogar in der Halacha festgelegt,10 dass die einzige Sprache außer Hebräisch, in der die Thora geschrieben werden darf, Griechisch ist.
(Likutej Sichot, Band 24, Seite 1)
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