Kennen Sie den Witz vom Rabbi, der eines seiner Gemeindemitglieder im Gefängnis besucht? Der Rabbi sagt zu dem Mörder: „Ich kenne dich, seit du ein Kind warst, und ich verstehe nicht, wie du ein Gebot übertreten konntest!“

„Sie müssen es so sehen, Rabbi“, entgegnet der Gefangene. „Den Rest habe ich eingehalten. Eine Quote von neunzig Prozent ist doch nicht schlecht!“

Das ist natürlich übertrieben. Aber neigen wir nicht dazu, unser Leben so zu sehen? Ein kleiner Diebstahl ist nur ein kleiner Verstoß gegen ein Gebot. Ein Ehebruch ist nicht so schlimm wie drei oder siebzehn. Wenn wir ein Gebot verletzen, haben wir immer noch neun andere eingehalten ...

Im Wochenabschnitt Wajigasch ist Josef ein mächtiger Mann in Ägypten. Seine Brüder, die unter der Hungersnot leiden, die ihr Bruder vor Jahren voraussagte, sind nach Ägypten gekommen, wo dank Josefs Voraussicht die Lagerhäuser mit Getreide gefüllt sind. Die Brüder erkennen ihn nicht, aber er weiß, wer sie sind.

Nach mehreren Gesprächen mit ihnen hat er sich immer noch nicht offenbart. Er will seinen jüngsten Bruder Benjamin sehen. Wir lesen, dass er ihm besonders nahe steht. Josef weiß nicht, dass Benjamin die größten Bedenken gegen den Verrat der Brüder an Josef hatte und am meisten um ihn getrauert hat.

Erst als alle Brüder bei ihm sind, kann Josef sich nicht mehr zurückhalten und sagt ihnen, wer er ist. Warum hat er gewartet? Er hätte ihnen die frohe Botschaft schon während der ersten Begegnung mitteilen können. Aber Josef denkt nicht, dass „neunzig Prozent eine gute Quote sind“. Er wollte, dass alle Brüder versammelt sind, wenn sie von seinem und ihrem Glück erfahren.

Sie können nicht „ein einziges Gebot“ brechen. Das ist unmöglich. Wenn Sie eines brechen, dann brechen Sie auch andere, vor allem das Gebot, G-tt zu gehorchen. Die Gebote bilden eine „Gesamtausgabe“. Es geht um alles oder nichts. Das heißt nicht, dass Ihnen nicht vergeben wird. G–tt vergibt uns immer wieder. Aber es gibt keine „kleine Sünde“. Behalten Sie also alle Gebote in Ihrem Herzen und handeln Sie danach. Sie haben alle ihren Grund.