Lassen sie uns mit dem Anfang beginnen:

Über tausend Jahre bevor die zehn Stämme ins Exil geführt wurden, wurde Jakobs geliebter Sohn Josef durch seine Brüder gefangen genommen – und als Sklave verkauft. Letztlich wurde er, nach vielen Jahren der Trennung, mit seinem Vater und seinen Brüdern wiedervereinigt. Die Tora beschreibt wie es war, als Josef seine Identität seinen Brüdern gegenüber offenbarte.

(Bereschit, 45:1-2)

Dieses Phänomen wird sich in viel größerem Maßstab wiederholen – mit den Kindern von Josef zusammen mit den anderen neun Stämmen.

(Josef repräsentiert die zehn Stämme, da die Hauptstadt der zehn Stämme sich auf dem Berg Ephraim befand – Ephraim war Josef Sohn).

Diese Wiedervereinigung wird ebenfalls reich an Tränen sein.

„Mit weinen werden sie kommen und mit Erbarmen werde Ich sie führen“

(Jeremia 31:8)

Der Prophet Jecheskel spricht über diese Wiedervereinigung:

„Ich nehme den Stab von Josef, der in der Hand von Ephraim ist, und den Stämmen von Israel – seinen Freunden – ist, und Ich werde von ihnen den Stab von Jehuda nehmen, und Ich werde sie zu einem Stab machen, und sie werden eins sein in Meiner Hand ... Nun nehme ich die Söhne von Israel von den Nationen in die sie gingen, und Ich werde sie von überall versammeln und sie in ihr Land bringen. Und ich werde sie zu einem Volk machen, in dem Land, den Bergen von Israel. Und ein König wird über sie regieren, und sie werden nicht länger zwei Völker sein, und sie werden niemals mehr in zwei Königreiche geteilt sein.“

D.h. bis jetzt gibt es eine Trennung im Judentum. Zuerst in der Form von zwei Königreichen und später waren sie vollkommen voneinander getrennt. Wenn der Moschiach kommt, wird G-tt uns vereinen zu „einer Völker und wir werden nicht länger in zwei Völker getrennt sein.“

Rabbi Akiwa: Die zehn Stämme werden nicht zurückkehren

Obgleich es so klar erscheint, dass die zehn Stämme zurückkehren werden, so ist, wenn wir die Quellen betrachten, es nicht so einfach wie es scheint. Lassen sie uns die Mischna in Sanhedrin (110b) zitieren:

„Die zehn Stämme werden nicht zurückkehren, wie es in heißt (Nizawim 29:8) ‚’Und er brachte sie in ein anderes Land, wie diesen Tag.’ Wie der Tag dahingeht und nicht zurückkehren wird, so werden auch sie dahingehen und nicht zurückkehren, die sind die Worte von Rabbi Akiwa.

Rabbi Elieser sagt, wie der Tag durch die Dunkelheit gefolgt wird, und das Licht später wieder zurückkehrt. So ist es auch, obgleich es für die zehn Stämme ‚dunkel’ wird, wird G-tt sie letztlich aus ihrer Dunkelheit herausführen.“

So liegen uns zwei Möglichkeiten bezüglich des Schicksals der zehn Stämme vor.

Der Talmud zitiert einen zusätzlichen Standpunkt, dass das Schicksal abhängig von ihrem Verhalten ist, Rabbi Schimon ben Jehuda von Kfar Akko sagt im Namen von Rabbi Schimon: „Wenn ihr Verhalten dem heutigen gleich bleibt („diesen Tag“) werden sie nicht zurückkehren, wenn sie umkehren, werden sie in der Tat wieder zurückkehren.

Vertreter von jedem Stamm

Lassen sie uns nun zur Analyse von Rabbi Akiwas Ansicht übergehen, dass die zehn Stämme nie wieder gefunden werden. Solch eine Ansicht erfordert eine Erklärung: Wenn das jüdische Volk nur noch aus den verbleibenden beiden Stämmen (Jehuda und Benjamin) besteht, wie kann dann der Vers auf die Einheit der „drei von Jehuda“ und der „drei von Josef“ verweisen?

Zusätzlich, spricht nicht der Prophet Jecheskel von der Teilung des Landes unter 13 Stämmen?

Rabbi Dan Isaac Abarbanel erklärt (Jeschuot Meschicho 1:4):

Zu Rabbi Akiwas Zeit hatten sich die Spuren der zehn Stämme seit mehr als 600 Jahren verloren und es gab nicht den geringsten Hinweis darauf, dass sie immer noch existierten.

Bedenke: Wenn die zehn Stämme weiterhin loyal dem Judentum geblieben wären, warum haben sie dann nicht einen Boten nach Jerusalem zum Tempel gesandt – um Gerüchte zu verifizieren, dass die Juden in ihr Land zurückgekehrt waren und den Tempel wiedererbaut hatten?!

Dieses Argument überzeugte Rabbi Akiwa, dass die zehn Stämme sich in den heidnischen Völkern assimiliert hatten und nicht mehr Teil des jüdischen Volkes waren.

Und in Bezug auf die Prophezeiungen, welche implizieren, dass die Stämme in der messianischen Zeit existieren werden, konnte Rabbi Akiwa entgegnen, dass, während die meisten der zehn Stämme im Exil waren und niemals zurückkehren würden, einige geflohen sein konnten und heute unter uns leben. Folglich hätten wir Vertreter aller vermissten zehn Stämme und die Prophezeiungen würde durch sie erfüllt werden.

Die Halacha: Die zehn Stämme werden zurückkehren

Nachdem wir Rabbi Akiwas Standpunkt diskutiert haben, lassen sie uns den gegenteiligen Standpunkt von Rabbi Elieser (der als Halacha akzeptiert ist) betrachten – dass die zehn Stämme zurückkehren werden.

[Ein talmudischer Gelehrter benutzte den scharfen Ausdruck „Rabbi Akiwa hat seine G-ttesfürchtigkeit verloren“ – mit dem Verweis auf Rabbi Akiwas harte Aussage über die zehn Stämme. So folgt die Halacha Rabbi Elieser – dass die zehn Stämme letztlich zurückkehren werden.]

Der Talmud erklärt, dass diese Sicht auf dem Vers (Jesaja 27:13) basiert „und es wird sein an diesem Tag, ein großes Schofar wird geblasen, und die Verlorenen werden aus dem Land Aschur kommen“ – dieser Vers bezieht sich auf die zehn Stämme, die ins Land Aschur ins Exil geführt wurden.

Ein Punkt muss klargestellt werden: Amos (5:1) sagt bezüglich der zehn Stämme: „Höre dies, über was ich trauere: Die Jungfrau von Israel, und wird niemals aufstehen.“ Wie würde Rabbi Elieser die Worte erklären „Sie wird niemals aufstehen?

Eine mögliche Erklärung ist, dass sie nicht als unabhängig „aufstehen“ wird, aber sie wird als Teil, welches zum Königreich Judah gehört, sich wieder erheben.

Unterirdische Tunnel; der Ölberg; und die drei Orte

Der Midrasch sagt uns, dass die zehn Stämme an drei Orte ins Exil geführt wurden: Einige wurden exiliert in das Land hinter dem Sambation-Fluss, eine andere Gruppe wurde in ein entferntes Land hinter dem Fluss geführt (dieses Land war zweimal so weit entfernt von Israel wie das erste Land), die dritte Gruppe „verschwand in Rabbesla.“

Der Midrasch beschreibt dann die Art, in welcher einige der dritten Gruppe (die „verschwand“) zurückkehren werden:

„G-tt wird ihnen unterirdische Tunnel schaffen und sie werden durch sie gehen, bis sie den Ölberg in Jerusalem erreichen. G-tt wird bewirken, dass sich der Berg öffnet und die zehn Stämme hervortreten werden.“

(Jalkut Schimoni, Jesaja)

Offensichtlich ist dieser Midrasch nicht wörtlich zu nehmen, er spielt vielmahr auf die unterschiedlichen spirituellen Exile an, welche diese Gruppe nunmehr durchleidet und die spirituelle Transformation, welche sie erfahren werden wenn der Moschiach kommt:

Die zehn Stämme wurden exiliert und „verschwanden“, d.h. sie haben ihre jüdische Identität vollkommen vergessen. Ihre Energie verblieb nur in einer potentiellen Form. Wenn der Moschiach kommt, wird G-tt sie durch Tunnel führen (den Prozess der Erneuerung symbolisierend) bis hin zum Ölberg (ein Berg, der – ursprünglich – den heranwachsenden Früchten zugedacht war – einem Symbol für die Nutzung potentieller Energie). Schließlich wird sich der Berg spalten und sie werden erscheinen – ihre jüdische Identität wird wiedererscheinen, wird wiedererweckt vom gegenwärtigen Zustand des „Potentiellen“ und wird in ihrer vollen Größe offenbar.

Die Ausführungen entstammen „Nihon-Judaja, Huuin no Kodaishi“ durch Rabbi Marwin Tokayer, übersetzt aus dem japanischen durch Arimasa Kubo. Nach seiner Ordination diente Rabbi Tokayer als Rabbiner bei der U.S. Air Force in Japan und nach seinem Ausscheiden aus dem Militär kehrte er nach Tokio zurück, wo er für viele Jahre als Rabbiner der jüdischen Gemeinde Japans, wie auch als Vizepräsident und Direktor für Kultur, Religion und Bildung für die jüdischen Gemeinden im Fernen Osten fungierte.