“Weißt du schon ...?” So spricht ein guter Bekannter, der Ihnen etwas Vertrauliches mitteilen will. “Hören Sie mal zu.” Das ist eine Aufforderung eines distanzierteren Menschen.
Dieser Unterschied ist im Wochenabschnitt für Schabbat Tschuwa, den Schabbat zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur, von großer Bedeutung. Er heißt Haasinu – “Nähe”. Im Text sagt Mosche: “Wisse, Himmel, und höre, Erde.” Das deutet darauf hin, daß er dem Himmel näher ist als der Erde.
Dem werden oft die Worte Isajas gegenübergestellt. Der große Prophet nannte sich selbst “dem Himmel fern und der Erde nahe”. Warum sagte ausgerechnet er das, wo doch jeder Jude nach Nähe zum Himmel streben soll?
Es kommt auf den Blickwinkel an. Wir sind fast das ganze Jahr über der Erde nahe und bemühen uns, die Mizwot einzuhalten und die Tora zu studieren. Doch zwischen Rosch Haschana und Jom Kippur, in den zehn Tagen der Buße, läutern wir uns und sind G–tt näher.
Danach haben wir die Kraft, uns wieder der Aufgabe zuzuwenden, die wir hier erfüllen sollen: aus der Erde eine Wohnung für G–tt zu machen. Wenn wir uns zehn Tage lang auf der spirituellen Ebene befinden, erneuern wir also unsere Energie für die wichtigste Arbeit, die es gibt.
Haasinu ist im wesentlichen ein Lied, das Mosche sich ausdachte, um uns an den Segen G–ttes zu erinnern (Jakob ritt “über die hohen Gefilde der Erde und aß die Früchte des Feldes”), aber auch an die Folgen unserer Sünden (“Die Rache ist mein, spricht der H-rr”). Dies ist Mosches “Schwanengesang”, eine letzte Ermahnung vor seinem Tod auf dem Berg Nevo.
Indem Mosche uns an die Höhen und Tiefen der jüdischen Geschichte erinnert, gibt er uns eine Vorstellung von der Entfernung zwischen Himmel und Erde und weist uns darauf hin, daß wir diese Entfernung vergrößern oder verkleinern können.
In diesem Abschnitt lesen wir auch die Worte “sein Augapfel” in Anspielung darauf, daß G–tt Jakob liebte. Wir haben diese Liebe geerbt. Der Augapfel eines Vaters zu sein, ist tröstlich, bedeutet aber auch Verantwortung. Wir sind auf der Erde, er ist im Himmel, und wir müssen uns bemühen, nicht zu weit von der Tora, seinem Baum des Lebens, herabzufallen.
Diskutieren Sie mit