Manche Leute sagen, Manieren seien mehr als die Summe nutzloser Regeln über den richtigen Gebrauch des Eßbestecks, nämlich ein Weg zum Weltfrieden und zum Überleben der Menschheit. Danach ist Heldentum eine Folge guter Manieren, denn es bedeutet ja, die Belange anderer über die eigenen Belange zu stellen.

Das hat vom Standpunkt der Tora aus einiges für sich.


Im Wochenabschnitt Pinchas lesen wir von einem Mann, der sein Leben riskierte, um die Kinder Israels zu retten. Er kämpfte gegen eine Gruppe von Leuten, die seiner Meinung nach das Volk vernichten wollte, indem sie Mosches Autorität in Frage stellte. Er wartete nicht, bis jemand ihn bat oder beauftragte, sondern schritt selbst zur Tat.

Würden Sie das auch tun?

Vielleicht haben Sie es schon getan. Wenn Sie Ihren Unmut über einen rassistischen Witz ausdrücken oder sich weigern, einem Gast noch ein Glas Wein zu geben, weil er genug getrunken hat, oder wenn Sie Geschäftspartnern klarmachen, daß die Moral Ihnen wichtiger ist als der Profit, dann sind Sie tapfer – und Sie haben Manieren.

Wir merken es durchaus, wenn wir die Würde anderer verletzen oder jemanden beleidigen. Aber wir befinden uns oft in einer Situation, die von uns verlangt, dieses Verhalten mitzumachen – und wenn wir uns weigern, müssen wir mit gesellschaftlicher Mißbilligung rechnen.

Opfern wir uns selbst, wenn wir das Richtige tun, so wie Pinchas? Nicht immer, aber wir können damit Ähnliches bewirken. Andererseits – wieso machen wir die Welt besser, wenn wir uns gegen die Unmoral auflehnen?

Die Antwort lautet: Weil auch die anderen sehr wohl wissen, was richtig ist. Sie haben zwar zeitweilig ihrer physischen Gier nachgegeben – den Verlockungen der materiellen Welt – und reden sich damit heraus, daß “alle das tun”; aber wenn wir sie daran erinnern, daß sie falsch handeln, und wenn sie sehen, daß nicht jeder mitmacht, kommen sie zur Vernunft – und sie begreifen, daß die Tora und die Mizwot Realität und das Fundament der Moral sind. Es mag sein, daß sie eine Umkehr ablehnen oder den “Außenseiter” sogar verleumden – aber sie wissen, daß er recht hat.

Und bei der nächsten Versuchung halten sie möglicherweise einen Augenblick inne und fragen sich, wer wohl diesmal aufstehen und ihnen den Spaß verderben wird. Vielleicht wird sogar einer derjenigen, die bisher alles mitgemacht haben, diesmal zur Umkehr aufrufen. Wenn das geschieht, werden auch die anderen Mut schöpfen. Die Menschen haben die Fähigkeit, sich selbst zu überraschen. Gute Manieren haben eine heilende und läuternde Wirkung, selbst auf Übeltäter.

Als Pinchas handelte, belohnte G–tt ihn mit dem Bund der ewigen Priesterschaft. Wenn wir handeln, werden wir mit dem Wissen belohnt, daß wir dazu beigetragen haben, die Welt zu einer Wohnung G–ttes zu machen. Auch das ist ein reicher Lohn.