Im Jahre 1843 wurde durch die russische Regierung eine Rabbiner-Konferenz berufen, um über verschiedene Aspekte der jüdischen Religion zu diskutieren. Zu dieser Versammlung wurde unter Anderen auch Rabbi Menachem Mendel von Lubawitsch (der als "Zemach Zedek" bekannt wurde) eingeladen. Die Regierung wollte die Rabbiner zwingen, verschiedene Änderungen in der Religion durchzuführen und Rabbi Menachem Mendel setzte sein Leben und seine Gesundheit aufs Spiel, um dies nicht zu geschehen zu lassen. Er wurde in St. Petersburg, wo die Versammlung stattfand, 22(!) Mal unter Hausarrest gestellt, doch er liess sich nicht einschüchtern.
Als er nach Lubawitsch zurückkam, überhörte er einige Chassidim sagen, ihr Rebbe habe sich wahrlich fürs jüdische Volk aufgeopfert. Der Rebbe begann zu weinen, denn es störte ihn sehr, dass Leute sich in ihm (in seiner Bescheidenheit) irrten. Dann sagte er: Es ist keine wahre Selbstaufopferung, wenn man etwas für sein ganze Volk tun kann und dabei noch weiss, dass man dafür in jener Welt belohnt wird. Wollt ihr wissen, was wirklich als Selbstaufopferung bezeichnet werden kann? Lasst mich eine Geschichte erzählen:
Rabbi Baruch von Mesibusch hatte einen sehr ehrlichen und g-ttesfürchtigen Mann als Chassid. Dieser Chassid war Weinhändler und er war es gewohnt, Wein aus seiner eigenen Stadt mit sich zu nehmen und in entfernten Städten und Dörfern zu verkaufen. Er selbst war kein reicher Mann, doch weil er als sehr ehrlich und zuverlässig galt, gaben ihm die reichen Weinhändler in seiner Stadt ihren Wein mit, den er später aus dem Erlös des Weinverkaufs bezahlen sollte. Als er sich eines Tages auf einer Geschäftsreise befand, erinnerte er sich plötzlich an eine kleine Sünde, die er begangen hatte und welche er nie durch Teschuwa wieder gutgemacht hatte. Er spürte einen starken inneren Drang, zu seinem Rebben gehen, um von ihm zu erfahren, wie er diese Tat wieder gutmachen könne. Also begab er sich sofort auf den Weg nach Mesibusch und liess die Wagone mit den Weinfässern einfach stehen.
Als er am Freitag kurz vor Schabbat nach Mesibusch bei seinem Rebben ankam, fragte ihn dieser zuerst einmal nach seinen Geschäften und es wurde bald klar, dass er seinen Eigenen sowie auch den geborgten Wein einfach stehen gelassen hatte, und dass jeder ihn ohne weiteres stehlen konnte. Da begann Rabbi Baruch seinen Chassid zu beschimpfen und sagte: "Du Dummkopf! Wie konntest Du mit dem Vermögen deines Mitmenschen nur so leichtsinnig umgehen!?" Am Freitagabend und am Schabbat beschimpfte Rabbi Baruch seinen Chassid vor allen Anwesenden.
Schliesslich konnte ein Familienangehöriger des Rabbi Baruch es nicht mehr mit ansehen und sagte zu ihm:" Rebbe! Der Talmud sagt doch, dass jemand der seinen Mitmenschen verschämt, keinen Anteil in jener Welt haben wird!?" Darauf antwortete Rabbi Baruch: "Es stimmt zwar, dass ich dadurch meinen Anteil in der kommenden Welt verliere, doch dadurch rette ich ihn vor einer grossen Katastrophe. Einige Menschen planten nämlich, ihm seinen ganzen Wein zu stehlen. Dies wäre für ihn ein finanzieller Schlag, von dem er sich niemals erholen könnte. Dadurch dass ich ihn beschäme, und er darunter leidet, wird er vom Leiden des Geldverlusts befreit und sein Wein bleibt ihm erhalten. Und dafür bin ich bereit, meinen Anteil in jener Welt zu verlieren!"
Rabbi Menachem Mendel beendete seine Geschichte und sagte: "Dass ein Mensch seinen Anteil in jener Welt aufgibt, um einem einzigen Mitmenschen einen finanziellen Verlust zu ersparen, ist wahre Selbstaufopferung!"
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