Eine alte Geschichte erzählt von einem Bettler, dem ein reicher Wohltäter zwanzig Kopeken gab. Ein paar Stunden später sieht der Reiche, wie der Bettler im örtlichen Restaurant Hefekringel und Lachs verspeist. Zornig schimpft er: „Du hast doch gesagt, du brauchst Geld für deine Familie, und jetzt vertilgst du Hefekringel und Lachs! Wie kannst du es wagen!“

„Mein Herr“, erwiderte der Bettler ruhig, „ich verstehe Sie nicht. Bevor ich Geld hatte, konnte ich mir Hefekringel mit Lachs nicht leisten. Jetzt habe ich Geld, und Sie sagen, ich darf keine Kringel mit Lachs essen. Wann darf ich sie denn nun essen?“


Im Wochenabschnitt Schlach stellen die Kinder Israel im Grunde die gleiche Frage. Sie haben vom Gelobten Land gehört und sogar Kundschafter nach Kanaan geschickt. Weil die Kundschafter absichtlich einen falschen Bericht abgaben, musste das ganze Volk vierzig Jahre lang durch die Wüste wandern, bis die Generation, die sich gegen G–tt auflehnte, gestorben war: Nur ihre schuldlosen Kinder und Enkel durften Milch und Honig in Kanaan genießen.

Darum jammerten sie und zerrissen ihre Kleider und wollten nach Ägypten in die Knechtschaft zurückkehren. Es ist zwar nicht überliefert, aber sie könnten durchaus gefragt haben: „Als wir in Ägypten waren, hatten wir keine Freiheit. Jetzt sind wir aus Ägypten geflohen, dürfen unsere Freiheit aber nicht genießen. Wann dürfen wir denn nun frei und fröhlich sein?“

Auch Sie sind frei. Frei wovon? Das hängt davon ab, was Sie tun wollen. Meist wollen Sie die Mizwot missachten (entschuldigen Sie diese kühne Behauptung). Sie wollen Freizeit, Bequemlichkeit und Spaß haben, sich selbst verwöhnen. Das alles geht auf Kosten Ihrer Pflichten, der Gebote der Tora.

Wann also dürfen Sie frei sein? Jederzeit! Der Glaube an den freien Willen gehört zum Kern des Judentums. In Schlach sagt G–tt: „Wie lange soll ich dieses sündige Volk, das mir ständig widerspricht, noch ertragen?“ Es eine Gunst und eine Auszeichnung, dass G–tt uns nicht zwingt, anders zu werden (was er natürlich könnte). Stattdessen beklagt er unsere Sturheit und Selbstsucht.

Sie können tun, was immer Sie wollen. Aber ist es sinnvoll, was Sie tun? Milch und Honig sind für Sie da, wie versprochen. Doch Sie sollten nicht Hefekringel und Lachs essen, während Ihre Familie – ihre größere jüdische Familie – hungert.