Der Wochenabschnitt Schlach beginnt wie viele andere: „Und G–tt sprach zu Mosche.“ Aber dann geschieht etwas ganz anderes. Sonst befiehlt G–tt meist, dem Volk Anweisungen zu geben oder ihm etwas zu verbieten. Hier ist es anders. Wie Raschi erklärt, erhält Mosche einen besonderen Auftrag: „Wenn du willst, sende Späher aus, um das Land Israel zu erkunden.“ G–tt befiehlt Mosche nicht, Kundschafter zu schicken, und er verbietet es ihm auch nicht. Mosche soll selbst entscheiden.
Daraus lernen wir etwas sehr Wichtiges über die Einstellung des Judentums zur persönlichen Entwicklung. Es gibt Gebote und Verbote, die unsere Willenskraft auf die Probe stellen. Einerlei, wie schwierig es für uns ist, wir müssen versuchen, alle Mizwot zu erfüllen, und wir dürfen nichts tun, was die Tora verbietet.
Aber hört das Judentum hier auf? Wir haben zwischen Schwarz und Weiß unterschieden – aber was ist mit der grauen Zone dazwischen? Ist sie im Judentum neutral? Wenn wir eine Mizwa befolgen, dienen wir G–tt, und wenn wir sündigen, missachten wir seinen Willen. Doch wenn wir weder ein Gebot erfüllen noch sündigen, wenn wir einfach nur leben – essen, trinken, arbeiten oder uns amüsieren -, wie sieht dann unsere Beziehung zu G–tt aus?
In den Sprüchen gibt es einen Vers „Denke an G–tt auf allen deinen Wegen“, den unsere Weisen so erläutern: „Dieser kleine Vers enthält die ganze Tora.“ Denn das Geheimnis des Judentums liegt darin, dass ein Jude selbst dann G–tt gehorchen muss, wenn er etwas tut, was die Tora nicht regelt. Wir müssen uns im Leben immer unseres G–ttes bewusst sein.
Das wirft ein neues Licht auf die erwähnte „Grauzone“. Dort gibt es zwar weder gut noch schlecht und auch nichts Neutrales. Aber es gibt Verhaltensweisen, die ihrer Natur nach mit G–tt verbunden sind, nämlich Mizwot. Und es gibt andere Verhaltensweisen, die uns ihrer Natur nach von G–tt trennen, nämlich Sünden. Außerdem gibt es einen Bereich, wo wir selbst entscheiden müssen, ob wir mit G–tt verbunden sind oder nicht. Wir können beschließen, eine Verbindung aufzubauen, und wir können beschließen, G–tt zu ignorieren und uns mit etwas anderem zu beschäftigen.
Dies ist die Lektion, die Mosche in diesem Wochenabschnitt erhält: G–tt sagt ihm, dass wir uns manchmal selbst entscheiden müssen. Doch selbst wenn er uns nicht sagt, was wir tun sollen, müssen wir seinen Willen achten.
Es ist bedeutsam, dass die Juden diese Lektion lernten, als sie sich auf den Einzug ins Land Israel vorbereiteten. In der Wüste lebten sie vom Manna. Alle ihre Bedürfnisse wurden auf wundersame Weise erfüllt, und sie hatten Zeit, die Tora zu studieren und sich spirituell zu entwickeln. In Erez Israel mussten sie dann das Land bestellen und die Ernte einbringen. In diesem Land verbrachten sie viel mehr Zeit in der „Grauzone“, also mit Tätigkeiten, die nicht von Natur aus mit G–tt verbunden sind. Also mussten sie lernen, sich sogar bei diesen weltlichen Angelegenheiten mit G–tt zu verbinden.
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