Die Haftara1 (die Prophetenlesung) unseres Wochenabschnitts erzählt uns von dem Streit zwischen dem Propheten Elijahu und den Dienern des Baal, einer weit verbreiteten „Gottheit“ zu jener Zeit, und von Elijahus schmerzlichem Aufruf an das jüdische Volk zu unserem Vater im Himmel zurückzukehren – Wie lange noch wollt ihr hüpfen auf den beiden Zweigen? Wenn G-tt der wahre G-tt ist – geht Ihm nach, und wenn es der Baal ist – so folgt ihm!

Elijahu ruft also Israel auf: Entscheidet euch – entweder hier oder dort, aber nicht beides! Seinem Aufruf zufolge ist also das Allerschlimmste Dienst an G-tt einerseits und Götzendienst andererseits zu betreiben; dies sei sogar noch schlimmer als purer Götzendienst! Warum? Ist es denn nicht besser wenigstens an G-tt zu glauben statt nur am Götzendienst zu hängen?

Die Anfänge

Rambam erklärt2, dass das Phänomen des Götzendienstes, in seinen Wurzeln, durch ein generelles Fehldenken der Menschen entstand. G-tt spendet ja durch die Himmelskörper Sonne, Mond und Sterne der Welt Seinen Einfluss (Licht und Wärme). Deshalb glaubten die Menschen, dass es richtig und notwendig sei auch die Himmelskörper dafür zu ehren und anzubeten, damit sie „ihres reichen Einflusses“ würdig seien. Schließlich vergaß man G-tt und betrachtete die Himmelskörper als wahre Gottheit.

Der Götzendienst also entstand durch die irrige „Einsicht“ des Menschen den Himmelskörpern für ihren Einfluss dienen zu müssen. Irrtümlicherweise glaubten sie, dass diese Einflüsse auf Erden von ihnen abhängig und sie ihrer Herr seien.

Wahrheit oder Bequemlichkeit?

Hier sehen wir den Unterschied zwischen dem eindeutigen Götzenanbeter und einem, der „auf zwei Zweigen hüpft“: Der Götzenanbeter, der nicht an G-tt glaubt, kann eines Tages zur Einsicht kommen, dass doch G-tt der einzig wahre G-tt ist, und dass der Götze, welchem er angehangen war, absolut falsch ist. Mit dieser Erkenntnis findet er den Weg zu G-tt. Auch wenn die Rückkehr zu G-tt (das Erfüllen der Mitzwot) schrittweise erfolgt, hat er doch bereits das Wahre erkannt; ein Leben nach dem jüdischen Gesetzeskodex ist dann nur noch eine Frage der Zeit. Aber jenem, der auf „zwei Zweigen hüpft“, fällt es viel schwerer seinen fatalen Fehler einzusehen. Denn schon immer glaubte er an G-tt und sieht sich selbst als gläubigen Juden.

Für den Götzenanbeter kann man hoffen, dass er eines Tages der Wahrheit ins Auge blickt. Die Wahrheit und das Spirituelle sind ihm nahe, aber er hängt an einem falschen Weltbild. Doch im Gegensatz dazu interessiert den „Doppelgänger“ Wahrheit nicht; was er sucht, ist nur Bequemlichkeit. Denn er will von beidem genießen.

In einem weiteren Punkt ist der „Doppelgänger“ viel schlimmer. Wer als wahrhaftiger Götzendiener bekannt ist, hat einen verhältnismäßig viel geringeren negativen Einfluss auf seine Umgebung. Menschen kennen ihn und seine Ideologie und wissen sich von ihm fernzuhalten. Der „Doppelgänger“ aber kann seine Mitmenschen, wenn auch unbewusst, sehr einfach täuschen, da er selbst auch an G-tt glaubt und so viel schwieriger als Götzenanbeter entlarvt werden kann.

Aktuelles Phänomen

Deshalb rief der Prophet Israel auf: Wie lange noch wollt ihr auf den beiden Zweigen hüpfen? Denn dieses doppelte, unehrliche Spiel, der zwielichtige Lebensweg, war in seinen Augen sogar ein viel schwereres Vergehen als purer Götzendienst!

Auch heutzutage gibt es dieses Phänomen „auf zwei Zweigen zu hüpfen“. Juden, die sich völlig assimilieren, wissen, dass sie ihrem Judentum den Rücken kehren. Es besteht noch Hoffnung, dass die Verirrten ihre Fehler erkennen und zu ihren Wurzeln zurückkehren, wie sich schon oft gezeigt hat. Aber wenn man sich in eine selbst kreierte Illusion hüllt – von dem Glauben an G-tt, doch mit einem Lebensweg in egoistischer Anarchie – dann ist die Lage wirklich schlimm!

(Likutej Sichot, Band 1, Seite 138)