In unserem Wochenabschnitt erfahren wir von der Erblindung Itzchaks, die ihn im hohen Alter erfasst hatte: Und es war, als Itzchak alt wurde; und sein Augenlicht ließ nach...

Warum erblindete Itzchak? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass nur sein Alter die Ursache dafür war. Denn zu jenen Zeiten lebten die Menschen sehr lange, und ihre Sehkraft war dementsprechend auch in hohem Alter recht gut.

Die Thora erzählt uns außerdem kurz davor, dass G-tt Itzchak gesegnet hätte. Selbstverständlich inkludierte G-ttes Segen Gesundheit und die Vermeidung von Leiden im hohen Alter. Und es steht außer Frage, dass er Itzchak vor Blindheit bewahren würde, welche als eine so schwerwiegende Behinderung gilt, dass unsere Gelehrten den Blinden sogar als Toten bezeichneten1. Warum also erblindete unser Erzvater Itzchak?

Der Segen für Jakow

Nun, unsere Meister geben dafür einige Gründe an2. Einer davon lautet: „G-tt wusste, dass Itzchak seinen Sohn Esaw mehr liebte als Jakow und ihn deshalb in Zukunft segnen würde. Also sprach Er: Ich nehme Itzchak sein Augenlicht, damit er nicht sehe, wen er segnet, und Jakow seinen Segen bekomme.“

Das heißt also, dass die Blindheit Itzchaks einzig dazu diente, dass Jakow den Segen seines Vaters bekam und nicht Esaw. Könnte Itzchak wie jeder andere sehen, würde er Esaw segnen. Deshalb nahm ihm G-tt das Augenlicht, dass er nicht sehe, wen er segnet, und somit Jakow all seinen Segen bekomme.

Es ist doch nur die Wahrheit!

Genauer betrachtet aber hört sich das alles sehr merkwürdig an. Hatte denn G-tt keine andere Möglichkeit Esaws Segnung zu verhindern als einen Gerechten wie Itzchak zu blenden? Es gäbe doch einen viel einfacheren Weg, nämlich Itzchak die wahre Identität von Esaw, der böse war, aufzudecken! Somit hätte er von selbst nur Jakow segnen wollen!

Und eigentlich würde die Aufdeckung von Esaws wahrer Identität Itzchak gar nicht überraschen. Denn er kannte schon die Frauen Esaws, welche Götzendienst betrieben. Er glaubte zwar daran, dass Esaw an dieser Sache nicht schuld sei und auf seine Frauen nicht einreden könnte, dem Götzendienst abzuschwören – aber schon allein die Tatsache, dass er sich mit solchen Frauen abgab, schädigte Esaws Image. Hätte ihm G-tt also die Wahrheit über Esaw offenbart, dächte Itzchak nicht einmal daran diesen zu segnen.

Keine Verräter

Aus der Antwort auf all diese Fragen können wir einen wichtigen Grundsatz im Judentum lernen: G-tt will über niemanden Laschon Hara (üble Nachrede) erzählen, nicht einmal über Esaw, den Bösen!

Auf Ähnliches stoßen wir im Talmud,3 der über den Vorfall mit Achan zur Zeit Joschuas berichtet.4 Achan sündigte gegen G-tt, als er sich an der Beute Jerichos vergriff (Jericho war die erste Stadt, welche das jüdische Volk während seiner Eroberung des Heiligen Landes einnahm). Die Beute Jerichos war G-tt geweiht. Darauf befragte Joschua G-tt, wer sich an Ihm versündigt hatte. Aber G-tt erwiderte ihm: „Bin Ich denn dein „Verräter“ (d.h. erwartest du von Mir, dass Ich einem Meiner Söhne übel nachrede)?“ Achan wurde auf andere Weise ertappt.

Deshalb bevorzugte G-tt – um die Segnung Esaws zu verhindern – Itzchak zu blenden, anstatt über Esaw Laschon Hara zu erzählen, obwohl dieser bereits einen schlechten Eindruck auf Itzchak machte. Das soll uns eine Lehre sein! Wenn sogar über den bösen Esaw G-tt nicht bereit war Laschon Hara zu erzählen, dann müssen wir umso mehr darauf achten über keinen Menschen Schlechtes in den Mund zu nehmen!

Und durch diese Haltung, welche eine direkte Abzweigung von dem Gebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ ist, erreichen wir den Verdienst, als vereintes Volk G-ttes Wohlgefallen zu erlangen und in die vollkommene Erlösung geführt zu werden!

(Likutej Sichot, Band 15, Seite 211)