„Nicht auf die Quantität kommt es an, sondern auf die Qualität“ – diese gängige Aussage ist wohl jedem bekannt. Und es mag viel Wahres an ihr liegen, aber das erste Gebot im Vierten Buch Mose – Bamidbar – zeigt, dass dies nicht in jedem Fall zutrifft. Die Thora gebietet eine Volkszählung durchzuführen.
Analytisch betrachtet spiegelt die Aufzählung von Subjekten keinesfalls ihre Qualität wider. Bei einer Aufzählung werden nicht die Details des Individuums berücksichtigt, jedes hat den gleichen Stand. Die Aufzählung also drückt nur den zahlenmäßigen Aspekt des Ganzen aus, nur eine äußerliche Betrachtung der Dinge.
So verhält es sich auch mit unserem Gebot. Nur die Größe des jüdischen Volkes soll erfahren werden, wobei die Besonderheiten und Leistungen des Einzelnen, selbst des Führers Mose, verloren gehen. Dennoch aber schreibt die Thora dem Gebot der Volkszählung eine enorme Wichtigkeit zu, sodass selbst das ganze Vierte Buch Mose „Buch der Aufzählung“ genannt wird.
Qualität durch Quantität
Einer der Gründe dafür ist diese Regel aus talmudischer Quelle: „Das Subjekt in einer ‘Gemeinschaft’ kann nicht annulliert werden“.1 D.h. Individuen, die gezählt werden, können nicht für nichtig erklärt werden. Die Aufzählung also verleiht dem Subjekt Wichtigkeit und Bestand. Demzufolge aber zeugt die Aufzählung doch nur von der Wichtigkeit des Subjekts, wie sie das Subjekt als Individuum auch schon hat. Worin liegt die Besonderheit der Aufzählung selbst?
Tatsächlich aber verleiht die Aufzählung den Subjekten eine Wichtigkeit, welche sie als Individuen nicht hätten erreichen können. Hierbei herrscht eine enge Verbindung zwischen der Quantität und Qualität einer Sache. Die Festlegung der Quantität führt zu einer besseren Qualität des Subjekts. Deshalb verleiht die Aufzählung, welche die Anzahl wiedergibt, dem Subjekt eine bessere Qualität.
Besondere Zustände
Das klassische Beispiel hierfür ist der Minjan (Gebetsgemeinschaft), bei dem aus Quantität Qualität wird. Es spielt überhaupt keine Rolle, welche Art von Juden sich zu einem Minjan versammeln; in dem Augenblick, in dem sich zehn jüdische Männer zusammengetan haben, haben wir einen völlig anderen Zustand – auf einmal ruht die G-ttesgegenwart über ihnen, und Gebete größter Heiligkeit, wie das Kadisch oder die Keduscha, können gesprochen werden. So auch verhält es sich beim Simun (einem Gebet im Tischgebet). Ab drei jüdischen Männern kann der Simun gesprochen werden, und ab zehn wird dabei sogar der Name G-ttes erwähnt.
Auf Ähnliches stoßen wir auch bei dem Erhalten der Thora, welche ausgerechnet „sechshunderttausend Mann“ übergeben wurde. Hätte auch nur einer gefehlt, und sei es selbst der einfachste unter den einfachen, wäre die Thora auch nicht dem größten Zadik übergeben worden.2 So besonders ist dieser Zustand, dass unsere Gelehrten einen eigenen Segensspruch beim Anblick der Gemeinschaft von sechshunderttausend Juden festlegten3 – „Der alle Geheimnisse und Tiefen kennt“.
Die Tat ist die Hauptsache
Nicht also auf die Qualität kommt es an, sondern auf die Quantität, denn Quantität bildet Qualität!
Heutzutage trifft das besonders zu. Viele Juden haben nicht einmal Grundkenntnisse über ihr Judentum und sicherlich erfüllen sie keine Mitzwot. Somit liegt es an jedem sich darum zu bemühen mit so vielen Juden wie möglich auch nur eine Mitzwa zu erfüllen. Auch wenn ein Jude ihren Sinn noch nicht versteht, darf deswegen das Erfüllen der Mitzwa nicht hinausgezögert werden. Sondern man kann ihm Tefillin anlegen oder mit ihm einen Segensspruch sprechen, denn die Betonung liegt eben auf der Quantität. Und je mehr Juden durch Mitzwot an ihren Schöpfer gebunden werden, desto besser wird die „allgemeine jüdische Qualität“. Durch eine groß angelegte Erfüllung der Mitzwot von zahlreichen Juden, erhebt sich das jüdische Volk auf einen höheren Zustand und führt die vollkommene Erlösung herbei, sofort in unseren Tagen!
(Likutej Sichot, Band 2, Seite 293)
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