Der Name jeder Parascha, obwohl er von den ersten Worten der Thoralesung stammt, trägt den gesamten Inhalt des Wochenabschnitts in sich. Der Wochenabschnitt „Tasrija“ beschäftigt sich im Großen und Ganzen mit den verschiedenen Arten des Aussatzes. Er gehört zu den ärgsten Unreinheiten, sodass der Talmud sogar festlegt: „Der Aussätzige gilt wie ein Toter (der Ursprung aller Unreinheiten)“1. „Tasrija“ (Säen) hingegen drückt das genaue Gegenteil aus: Das Säen führt zum Wachstum und zu neuem Leben. Inwiefern also deckt der Name unseres Wochenabschnitts seinen so widersprüchlichen Inhalt ab?
Strafe im Judentum
Das Judentum lehrt: Jede Sache, die G-tt vollbringt, ist gut. Denn G-tt verkörpert das vollkommene Gute, aus dem nichts Schlechtes entspringen kann. G-tt „straft“ nicht um der Strafe willen. Seine Absicht ist es den Menschen von seiner Unreinheit, welche durch Sünden hervorgerufen wird, rein zu waschen.
Selbst die Todesstrafe ist zum Wohl des Betroffenen gedacht. Seine Sünde war so groß, dass nur der Tod sie sühnen kann. Es ist zu seinem Besten diese Welt zu verlassen um ewigen Anteil an der künftigen Welt zu haben. G-ttes „Strafe“ ähnelt einer ärztlichen Behandlung, welche zwar schmerzhaft sein kann, doch nur dem Wohl des Patienten dient und somit sogar Teil seiner Heilung ist.
Eine wunderliche Krankheit
So verhält es sich auch beim Aussatz. Rambam zufolge2 waren jene Typen des Aussatzes, wie sie die Thora beschreibt, keiner irdischen Natur. Sie befielen den Menschen, wenn er anderen übel nachredete, was als schwerwiegendes Verbot gilt.
Zuerst wurden die Wände des Hauses des Betroffenen von Aussatz befallen. Wenn er von seinem schlechten Weg abließ, verschwand der Aussatz; wenn nicht, galt sein Haus als unrein und musste abgerissen werden. Danach griff der Aussatz auf seine Ledermöbel über, sodass sie verbrannt werden mussten. Blieb er weiterhin stur, erreichte der Aussatz seine Gewänder. Sollte er bis dahin noch immer nicht seine Wege gebessert haben, ging der Aussatz schließlich auf seinen Körper über.
Der Aussatz diente weniger als Strafe, sondern dazu den Menschen zur Umkehr zu bewegen. Doch blieb der Mensch weiterhin dickköpfig, wurde er ein Aussätziger. Aber damit war es nicht getan. Nicht dieses Ziel verfolgt die Thora. Der Aussätzige wird von der Gesellschaft isoliert um ihn von seinem unguten Freundeskreis zu trennen, in der Hoffnung dass er, geschützt vor schlechtem Einfluss, in seiner Einsamkeit sich besinnt und Tschuwa tut. Der Aussatz also dient einzig und allein dazu den Menschen zu läutern und zu reinigen. Dabei wird er zum Instrument bei der Heilung des Menschen.
Nun wird der Name unseres Wochenabschnitts „Tasrija“ − „Säen“ − verständlich. Denn aus dem Aussatz wächst schließlich ein reiner und anständiger Mensch heran.
Danke für alles (Negative)!
Nicht nur Strafen G-ttes verbergen in sich Gutes. Da alle Geschehnisse g-ttgelenkt sind, müssen negative Ereignisse auch in ihrem Wesen gut sein; d.h. sie sind nicht nur zum Guten, sondern an sich gut. Allerdings ist das Gute in ihnen verborgen (laut der jüdischen Mystik verbirgt sich in dem Schlechten ein viel höheres Gut, da es nicht offenbart werden kann).
Zur vollkommenen Erlösung aber werden wir das verborgene Gute in den negativen Ereignissen all der Jahre der Galut erkennen. Dann stellt sich heraus, dass alle Leiden und Qualen doch nur Gutes bargen und Teil des Prozesses zur vollkommenen Erlösung waren.
Der Abstieg durch die Galut ist nicht nur für den Aufstieg, sondern ist bereits Teil des Aufstiegs, sodass wir alles Negative aus der Zeit der Galut – wie der Prophet Jeschaja verkündet hat3 – folgendermaßen betrachten werden: Zu jener Zeit werdet ihr sprechen: Ich huldige Dir, G-tt, dass Du mir zürntest.
(Likutej Sichot, Band 22, Seite 70)
Diskutieren Sie mit