Wenn ich Ihnen zwei Teller vorsetzen würde, einen mit Keksen und einen mit einer Million Euro – welchen würden Sie wählen?

Sie und die Gesellschaft könnten von dem Geld sehr profitieren, während die Kekse Ihnen nur einen kurzen Genuss und anschließend Bauchschmerzen bescheren würden. Zudem können Sie mit Keksen nicht eine Million Euro kaufen, aber für so viel Geld bekommen Sie unzählige Kekse. Obendrein enthält das Geld kein gesättigtes Fett.

Warum treffen so viele kluge Menschen eine falsche Entscheidung, wenn sie zwischen flüchtigem Genuss und dauerhaftem Gewinn wählen müssen? Warum setzen sie für wenige Momente außerehelicher Lust ihre Ehe und Familie aufs Spiel? Warum konsumieren so viele Menschen Drogen oder Alkohol, obwohl sie die langfristigen Folgen kennen? Warum essen sie fetttriefendes Fastfood, obwohl sie die Vorteile einer gesunden Kost kennen?

Der törichte Geist

Unseren Weisen zufolge werden wir oft von einem „törichten Geist“ beherrscht. Er verzerrt unsere Sicht und verhindert klares Denken. Die Weisen lehren, dass ein Jude nur dann Gebote verletzt, wenn dieser Geist sie überwältigt.1 Das entnehmen sie einer interessanten Passage im neuen Wochenabschnitt.

Ein Ehegatte, der sich auf außereheliche Affären einlässt, ist nach der Tora „vom rechten Weg abgewichen“.2 Raschi, der berühmte Kommentator des 11. Jahrhunderts, schreibt, dieser Mensch habe „den Pfad des Anstandes verlassen“. Der hebräische Ausdruck dafür (tiste) ist mit dem Wort verwandt, das „Torheit“ bedeutet. Unsere Weisen folgen dieser Analogie und lehren, dass es einen Weg der Weisheit und einen Weg der Torheit gibt. Weisheit bedeutet Anstand, Zurückhaltung, Hingabe und Überlegung. Torheit ist das Gegenteil. Natürlich sollen wir uns für den richtigen Pfad entscheiden, aber unser törichter Geist zwingt uns, von ihm abzuweichen.

Viele falsche Entscheidungen

Jedes Mal, wenn wir eine Mizwa befolgen, knüpfen wir ein Band mit dem G-ttlichen. Die Hand, die milde Gaben verteilt, wird zum Vehikel des G-ttlichen, wenn die Energie der Mizwa sie durchströmt. Der Mund, der ein Gebet spricht, wird zu einem g-ttlichen Kanal, durch den heilige Worte fließen. Der Geist, der die Tora studiert, füllt sich mit G-ttlichkeit.

Wenn wir eine Mizwa befolgen, werden wir eins mit G–tt. Wir ziehen G-ttes Gegenwart in unser Herz, in unseren Geist und in unsere Seele hinein. Dadurch werden wir zu g-ttlichen Wesen.

Vergleichen wir diese glückselige, transzendentale Erfahrung einmal mit der Sünde. Wenn wir den Weg der Sünde wählen, weisen wir G–tt zurück und zerstören unsere Einheit mit ihm. Anstatt mit ihm zu verschmelzen, ziehen wir uns vor ihm zurück und errichten eine Barriere zwischen ihm und uns. Auf der einen Seite ist Licht, Liebe, Heiligkeit, Schönheit und G–ttlichkeit. Auf der anderen herrschen Finsternis, Ferne, Weltlichkeit, Materialismus und Narzissmus.

Die eine Seite ist der Weg der Weisheit und der Inspiration, die andere führt zu Torheit und Genusssucht. Ein Weg bringt uns zu G–tt und zum ewigen Glück, der andere zum Ego, ohne die Hoffung, erlöst zu werden.

Was ist Ihnen lieber? Das Ewige und Tiefe oder das Unbeständige, Zeitweilige? Ein kluger Mensch würde das Erstere wählen; aber wir entscheiden uns oft für das Letztere.

Denken Sie daran, wie sehr wir uns anstrengen, um einen einzigen Euro Steuern zu sparen oder im Sport zu glänzen. Der gesparte Euro ist bald ausgegeben, und der Ruhm des Sieges verblasst schnell. Obwohl solche „Erfolge“ bedeutungslos sind, strengen wir uns an, um sie zu erringen. Warum sind wir nicht ebenso engagiert und begeistert, wenn es um bedeutsame Dinge geht?

Weil unser törichter Geist uns überwältigt.

Die niedrige Natur

Unsere niedrige Natur ist taktil und materialistisch. Sie denkt nicht über die Nuancen der Hingabe an das Höchste nach und weiß sie erst recht nicht zu schätzen. Sie ist grob und lebt im Augenblick. Darum versteht sie nichts von Spiritualität. Sie will den Moment genießen statt des künftigen Lohnes.

Das ist unsere Torheit, der Zustand, in den wir hineingeboren werden. Aber wir dürfen dieser Torheit nicht nachgeben. Wir dürfen nicht kapitulieren. Wir müssen gegen sie kämpfen.

Unsere niedrige Natur versteht G–tt und das Ewige nicht. Aber unsere Seele versteht. Es ist unsere Pflicht, die Seele, die Weisheit und den ewigen Lohn zu wählen.

Unsere Seele bleibt G–tt treu, selbst wenn der Geist und das Herz ihn zurückweisen. Sie ist immer da, unerschütterlich und verlässlich. Sie wartet darauf, dass wir sie bemerken und zu G–tt zurückkehren.

Warum warten?

Der Weg zurück ist immer für uns da, weil unsere Seele immer für uns da ist. Dank ihrer Loyalität kann sie uns helfen, unsere Torheit zu besiegen und wieder klar zu denken.

Die Seele ist bereit, aber wir lassen sie warten. Sie wartet, bis wir die Freiheit nutzen, die G–tt uns gegeben hat. Die Freiheit der Wahl. Die Freiheit, G–tt zu wählen. Warum also warten?3