Drückt unsere Kleidung das aus, was oder wie wir denken?
Jede Kultur hat ihre Rituale und traditionelle Kleidung, aber macht das allein die Menschen so individuell? Insgesamt sind wir doch hinter all dieser Kleidung irgendwie gleich. Klar, ein eingeborener Amerikaner kleidet sich unterschiedlich vom Durchschnittsamerikaner, aber dennoch haben sie soviel gemeinsam. Sie haben beide Erwartungen und Ängste, sie reagieren beide, wenn ihr Ego getroffen wird. Die Erwartungen in der Gesellschaft mögen sich zwischen den einzelnen Kulturen voneinander unterscheiden, aber unsere Denkprozesse sind überraschenderweise oft sehr ähnlich.
Juden haben auch sehr individuelle Bräuche: eine besondere Art, sich zu kleiden, sehr interessante Feiertage und sogar eine einheitliche „Diät“.Juden haben auch sehr individuelle Bräuche: eine besondere Art, sich zu kleiden, sehr interessante Feiertage und sogar eine einheitliche „Diät“. Als G-tt uns diese Anweisungen gab, hat er uns erzählt, dass er uns zu seinem Volk gewählt hat. Aber sind wir hinter all diesen Ritualen tatsächlich so individuell und einzigartig? Denken wir als Juden anders?
Als Jude zu denken kann sehr viel herausfordernder sein, als wie ein Jude zu handeln. Heute verlor ich meine Schlüssel und habe wirklich sehr viel Zeit damit verbracht, sie überall zu suchen. Als ich sie dann endlich fand, war ich frustriert und wütend. So etwas sollte einfach nicht passieren! Aber was war mit G-tt? Ich dachte nach. Glaubst du nicht, dass er da ist? Natürlich! Erwiderte ich mir selbst. Aha – aber wenn du wirklich an seine Vorsehung glaubst, könntest du doch nicht in solch einer schlechten Laune sein.
Es war viel leichter für mich, zu handeln wie ein Jude, als wirklich im Innersten wie ein Jude zu denken.
Na klar, G-tt hat uns erwählt, und uns angewiesen, auf jüdische Art und Weise zu handeln. Aber er will auch, dass wir jüdisch denken; dass wir unseren Geist neu verkabeln, so dass unsere Logik parallel zu SEINER Logik wachsen kann. Das ist der sehr tiefgreifende Unterschied.
Tatsächlich feiern wir jedes Jahr Schawuot, den Tag, an dem G-tt uns die Tora schenkte, und uns als sein Volk erwählte. Und jedes Jahr, am Schabbat vor oder nach Schawuot, beginnt der wöchentliche Tora-Abschnitt mit den Worten: „Erhebe deinen Kopf.“ Auf der literarischen Ebene, ist dieser Satz eine Anweisung, um die Mitglieder der Gerschonite Famlie der Leviten zu zählen. Aber „erhebe deinen Kopf“ ist eine sehr merkwürdige Art, die Anweisung „zähle“ zu geben.
Auf der mystischen Ebene, ist der Satz „erhebe deinen Kopf“ eine Aufforderung G-ttes an jeden einzelnen Juden, direkt vor oder nach Schawuot. Die Tora ist der Grund, dass du deinen Kopf erheben sollst. Ändere deine Art zu denken, nicht nur das, was du tust.
Oft wird die Tora mit einem „Brot“ verglichen.1 Rabbi Schneur Zalman aus Liadi erklärt. Genauso wie ein Brot durchgekaut und verdaut wird, bevor es ein unzertrennlicher Bestandteil von unserem Körper wird, so wird die Tora, wenn sie mit wirklicher Hinwendung gelernt wird, ein Teil von uns. Sie ist gewissermaßen Nahrung für die Seele. Wenn wir Mizwot ausführen, G-ttes Anweisungen, kleiden wir unsere Seele in heilige Gewänder. Aber wenn wir Tora lernen, G-ttes Weisheit, geben wir unserer Seele Nahrung. Wir können ein Gewand ablegen, aber wenn Nahrung, nachdem sie verdaut wurde, zu einem Teil deines Selbst wurde, kannst du sie nicht mehr wirklich entfernen.
„Feiere“ die Tora, sagt G-tt, und benutze sie „deinen Kopf zu erheben“. Kaue sie durch, verdaue sie und lass sie deinen Geist veredeln.
In dem Moment, wo wir Tora mit Hinwendung lernen, so sagt Rabbi Schneur Zalman, entsteht eine ganz erstaunliche Einheit zwischen menschlichem Intellekt und G-ttes Intellekt, so wie es kein zweites Mal in der physischen Welt existiert.
Die Tora trainiert uns gewissermaßen, die Begrenzungen der Welt zu überwinden ...Es ist erstaunlich, dass unser begrenzter Intellekt sich mit G-ttes Weisheit durch das Medium Tora in einer derartigen Weise verbinden kann. G-tt hat die Menschen mit einer ausgeklügelten Intelligenz ausgestattet und gesegnet. Wir können jedoch immer nur das begründen, was wir wissen, und Weisheit nur in einer Weise entfalten, die in Relation zu menschlichen Erfahrungen steht. Das macht den Geist so begrenzt.
Nun gab G-tt uns aber die Möglichkeit, unseren „Kopf zu erheben“ und Tatsachen zu erfassen, die auf andere Weise nicht zu begreifen sind. G-ttes Weisheit ist unendlich, unser Geist hingegen beschäftigt sich mit Dingen, die quantitativ begreifbar und begrenzt sind. Aber noch bevor sich irgendeine Idee entwickelt und definiert wird, existiert sie schon in G-ttes unbegrenzter Weisheit. Von da aus geht sie über in einen bewussten Gedanken mit einer individuellen Existenz. Die Tora trainiert uns gewissermaßen, die Begrenzungen der Welt zu überwinden und eine Idee von ihren Quellen zu bekommen, die Quellen jeglichen Wissens.
Die Tora erhebt unseren Kopf. Dies ist ein wundervolles Phänomen. Mit G-ttes Unendlichkeit können wir zugreifen auf diese Lehren. Die Tora kann unser Bewusstsein erheben, damit wir ein unbegrenztes Verständnis trotz unseres begrenzten Intellektes erfahren können.
Als G-tt uns erwählt hat, sind wir von Grund auf individuell geworden, einzigartig. Und um diese Individualität offenkundig zu machen, gab er uns die erstaunliche Möglichkeit, unseren Kopf zu erheben, unseren Geist neu zu verkabeln mit der unbegrenzten Fülle SEINER Tora.2
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