Der Wochenabschnitt Nasso wird stets entweder direkt vor oder nach Schawuot gelesen, was ein Indiz dafür ist, daß das vorherrschende Thema dieser Parascha einen starken Bezug zum Empfang der Tora hat, welcher an Schawuot gefeiert wird.

Die Tora wurde indes bereits gelehrt und gelernt, lange bevor sie am Berg Sinai im Jahre 2448 dem Jüdischen Volk gegeben wurde. Unsere Weisen sel. A. lehren uns, daß schon unsere Vorväter Abraham, Isaak und Jakob Tora-Experten waren. Und selbst davor noch war bereits Noach's Sohn Schem ein Rosch Jeschiwa, d.h. der Leiter einer Tora-Lehranstalt.

Nichtsdestoweniger war der Empfang der Tora am Berg Sinai nicht nur eine bloße Formalität, bei der die Tora nun sozusagen ganz offiziell dem Jüdischen Volk übergeben wurde. Am Berg Sinai fand vielmehr eine signifikante Veränderung statt, bei der die Spiritualität der Tora und die physische Welt in der wir leben miteinander kompatibel gemacht wurden. Der Midrasch erklärt hierzu, daß vor dem Empfang der Tora, G-tt es so vorgesehen hat, daß Spiritualität und Körperlichkeit bzw. Weltlichkeit keine anhaltende Verbindung miteinander aufrechterhalten können. Mit dem Empfang der Tora am Berg Sinai wurde dieses G-ttliche Dekret aufgehoben (siehe Midrasch Tanchuma, Nasso 16).

Konsequenterweise, wenn wir heute Tora studieren, d.h. nach ihrem Empfang, erwerben wir dadurch nicht nur spirituelles Wissen und Bildung. Viel bedeutender ist noch, daß unsere physische Existenz hierdurch vom spirituellen Wesen der Tora durchdrungen, gestärkt und erhoben wird.

Um diesen Punkt zu betonen, lautet der Name der Parascha, die kurz vor oder nach Schawuot gelesen wird auch "Nasso", was soviel wie "herausheben" bedeutet, um deutlich zu machen, wie die Tora unsere physische Existenz tatsächlich heraushebt, und zwar auf eine wesentlich höhere Daseinsebene.

Hiervon können wir auch lernen, daß die Tora nicht nur dazu bestimmt ist, uns lediglich auf verstandesmäßiger oder gar spiritueller Ebene zu erheben. Die Tora soll unser Leben bis hin auf die niedrigsten physischen Ebenen erreichen und beeinflussen. Selbst die alltäglichsten und profansten Aktivitäten sollen durch unsere Beschäftigung mit der Tora emporgehoben werden, um somit den G-ttlichen Willen zu erfüllen und die "oberen Welten" mit den "unteren Welten" in Einklang zu bringen.

(Basierend auf Sichat Schabbat Paraschat Nasso 5747.)