Wer je sagte, es gebe keine kostenlose Mahlzeit, wollte bestimmt nicht die Massen auf seine Seite ziehen. Wir wissen seit Langem, dass jede Veranstaltung in der Synagoge, bei der es etwas zu Essen gibt, doppelt so viele Besucher anlockt. Wollen Sie einen Beweis? Dann werben Sie für „Essen und Lernen“ und lassen eines von beiden ausfallen. Ich wette, dass die Gäste weniger verärgert sind, wenn das Lernen ausfällt!
Wir müssen nicht studiert haben, um zu wissen, was die Menschen in unserem Land am liebsten tun. Oder kennen Sie ein Fest oder eine religiöse Veranstaltung, bei der es nicht ums Essen (oder Fasten) geht? Das soll nicht heißen, dass wir alle gefräßig sind; aber wir mögen es, wenn man uns Spiritualität zusammen mit Essen serviert. Viele Leute gingen zum ersten Mal in die Synagoge, weil es nach dem Gebet „Kiddusch“-Essen gab.
Essen kann und sollte eine spirituelle Erfahrung sein. Im Gegensatz zu anderen Religionen, für die das Leben ein Kampf zwischen Leib und Seele um alles oder nichts ist und die glauben, ein Mensch sei umso spiritueller, je weniger er sich um die Welt kümmere, war das Judentum nie zölibatär und predigte nie Selbstverleugnung. Wir schätzen den Körper, wir fördern Ehe und Familie, und wir betrachten jeden Augenblick unseres Lebens als Geschenk G-ttes, das wir nutzen müssen, um ihm zu dienen. Essen gibt dem Leib und der Seele Kraft, so dass sie ihre Pflicht erfüllen können.
Die Juden in der Wüste bekamen spirituelle Nahrung: Manna vom Himmel. Vierzig Jahre lang sammelten sie diese besondere Speise jeden Morgen ein. Gewiss, wenn G-tt seinem Volk durch ein Wunder das Überleben in der Wüste ermöglichen wollte, bräuchte er dafür kein Manna. Er hätte zum Beispiel unsere Abhängigkeit vom Essen aufheben können: Kein Appetit, kein Hunger, kein Problem.
Das Manna-Wunder zeigt, dass auch das Essen eine spirituelle Handlung sein kann. Schließlich ist das Brot, das wir heute essen, „natürlich“ gewachsen, und das ist im Grunde kein geringeres Wunder als das Manna, das vom Himmel fiel. Darum sollten wir für unser Essen ebenso dankbar sein.
Ja, wir müssen morgens zur Arbeit gehen, um Geld für unser tägliches Brot zu verdienen. Aber wir wissen, dass unser Essen letztlich ein Segen G-ttes ist und dass er für unsere täglichen Bedürfnisse sorgt.
Ein Jude sollte mit der gebotenen Ehrfurcht vor G-tt essen und G-tt dankbar sein. Wir lehnen Völlerei ab; aber wir freuen uns des Lebens und wollen alles, was wir tun, mit Leben und Liebe erfüllen. Dann wird auch das Essen zu einem Akt der Heiligkeit, der ebenso notwendig und akzeptabel ist wie das Gebet.
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