Lieber Leser,

die dieswöchige Sidra kommt in der Synagoge jedes Jahr normalerweise am Schabbat unmittelbar vor dem Schawuotfeste zur Vorlesung. In der Tat ist unsere Sidra Bamidbar sehr bezeichnend für Schawuot; eine Verbindung wird gleich in den ersten Worten des Wochenabschnittes hergestellt, nämlich in G-ttes Anweisung: "Nehmt die Gesamtsumme der ganzen Gemeinschaft der Israeliten auf." Diese Verbindung kommt allerdings erst dann klar zum Vorschein, wenn man den eigentlichen Sinn des Zählens zu begreifen sucht.

Raschi bemerkt zur Stelle: "Weil sie (die Israeliten) Ihm teuer sind, zählt Er sie zu jeder Stunde (das heißt: andauernd): Als sie aus Ägypten zogen, zählte Er sie; als sie beim Goldenen Kalb zu Fall kamen, zählte Er sie; und als Er sich anschickte, Seine Allgegenwart auf sie niederzulassen (im Stiftszelte) zählte Er sie."

In Beantwortung mehrerer Fragen, die sich aus dieser Erklärung Raschis ergeben, lässt sich folgendes sagen: Wenn immer Dinge gezählt werden, dann werden sie als gleichwertig angesehen; das heißt, dass sowohl der größte Mensch wie auch der geringste nur einmal gezählt werden, nicht mehr und nicht weniger. Und weil, wie Raschi doch sehr ausdrücklich betont, die Volkszählung ein Zeichen von G-ttes Liebe war, folgt daraus, dass von eben diesem Gesichtspunkt her jeder Jude als gleichwertig eingeschätzt wurde. Was ins Gewicht fiel, war also nicht seine Intelligenz, noch seine Stellung oder sein moralisches Ansehen, sondern allein das Wesentliche: seine jüdische Seele. Dies jedoch kann der Mensch gewöhnlich nicht sehen oder beobachten. Also folgt notwendigerweise, dass der schließliche Zweck dieser Volkszählung darin bestand, die Seele jedes Juden herauszustellen, sie freizulegen.

Schabbat Schalom