Der Tora-Abschnitt dieser Woche heißt Bamidbar: „In der Wüste“. Wir lesen ihn immer vor dem Feiertag Schawuot. Der Zusammenhang liegt auf der Hand, denn an Schawuot denken wir an den Empfang der Tora in der Wüste Sinai.

Ein Filmregisseur würde Ihnen sagen, dass die Szenerie der schwierigste Teil der Produktion ist. Filmleute verbringen zahllose Stunden damit, jedes Detail zu planen, Fassaden zu bauen, die Requisiten auszuwählen und einen geeigneten Ort zu finden.

G-tt hat die Wüste – ihre Schlichtheit, Öde und Leere – gerade deshalb ausgewählt, weil wir es auf keinen Fall tun würdenAuch Politiker, die für ein Amt kandidieren, überlegen genau, in welcher „Szenerie“ sie ihre Bewerbung bekannt geben. Was sollen sie sagen? Und wie? Was sagt man besser nicht?

Ist es da nicht überraschend, dass G-tt sich dem jüdischen Volk selbst zeigte und ihm die Zehn Gebote ausgerechnet in der Wüste übergab? Warum begann unsere Mission im Niemandsland? Was ist an der Wüste besonders?

Bestimmt kannte G-tt die „100 schönsten Urlaubsorte“ der Reisemagazine, die herrlichen Strände von Maui und die majestätischen Alpen. Warum gab er uns die Tora dann in einer heißen Wüste mitten im Sommer? Hätte dieser dramatische geschichtliche Augenblick nicht eine eindrucksvollere Kulisse verdient?

Die Erklärung liegt in der Frage. G-tt hat die Wüste – ihre Schlichtheit, Öde und Leere – gerade deshalb ausgewählt, weil wir es auf keinen Fall tun würden.

Eine Wüste ist ungeeignet für Menschen, Vieh und Landwirtschaft, eine verlassene Gegend, wo fast nichts leben kann, ein weites, karges Land.

G-tt gab uns die Tora dort, um uns zu lehren, dass wir die Aufgabe haben, eine Welt, die eine spirituelle Wüste ohne Moral, Ethik und Demut ist, in eine Welt der Tora und des Friedens zu verwandeln.

Manchmal befinden wir uns in einer moralischen Wüste. Unser Leben kommt uns leer, öde, langweilig und deprimierend vor. Aber genau dann brauchen wir die Tora, damit sie uns auf den richtigen Weg bringt.

Die Tora ist nicht nur für die Synagoge da, sondern auch für die Wüste.

Genauer gesagt: erst recht für die Wüste.