Die Grundsteinlegung für die Synagoge des Zemach Zedek (Rabbi Menachem Mendel, der dritte Lubawitscher Rebbe) löste große Freude aus. Die Chassidim stellten Tische und Bänke auf und versammelten sich zu Ehren des großen Ereignisses. Als der Zemach Zedek kam, fragte er seine Schüler: „Wollt ihr einen chassidischen Vortrag oder eine Geschichte hören?“ Die Chassidim entschieden sich für die Geschichte. Der Zemach Zedek begann:
„Reb Jaakow war ein Chassid des heiligen Ruschiner Rebbe1. Er hatte von einem jüdischen Steuerbeamten, der ebenfalls Jaakow hieß, eine Gastwirtschaft gepachtet. Dieser Jaakow war ein ehrlicher, g-ttesfürchtiger Mann, der das Lokal seinerseits vom Poriz gepachtet hatte, dem Grundherrn, dem in der Umgebung alle Grundstücke gehörten.
Der Wirt war sehr arm und hatte seine Pacht schon lange nicht mehr bezahlt. Der Beamte hatte viel Geduld; doch eines Tages drohte er, Jaakow vor die Tür zu setzen, wenn er nicht endlich zahle. Jaakow ging zu seinem Rebbe und bat ihn um Rat.
Der Ruschiner Rebbe drängte den Steuerbeamten, mit dem armen Wirt und seinen hungrigen Kindern Mitleid zu haben und ihm die hohen Schulden zu erlassen. Der aufrechte und ehrliche Beamte war einverstanden. Er senkte sogar den künftigen Pachtzins, verlangte aber von Jaakow pünktliche Zahlung, da er ebenfalls Rechnungen begleichen musste.
Leider ging erneut alles schief, und wieder drohte Jaakow die Kündigung. Er ging zum Rebbe, und der setzte sich beim Steuerbeamten für ihn ein. Und wieder verzichtete dieser auf den ausstehenden Pachtzins.
Doch bald befand er sich in der gleichen Lage – er musste den Poriz aus eigener Tasche bezahlen. Er hatte getan, was er konnte. Nun beschloss er, Jaakow tatsächlich vor die Tür zu setzen. Zum dritten Mal spielte sich die vertraute Szene ab. Jaakow ging zum Rebbe, und dieser ließ den Steuerbeamten rufen. Doch diesmal gelang es ihm nicht, ihn umzustimmen.
„Ich habe alles Menschenmögliche getan“, sagte der Beamte. „Ich habe ihm seine Schulden schon zweimal erlassen. Jetzt ist es genug. Es geht nicht um das Geld des Rebbe, sondern um meines!“ Der Wirt und seine Familie mussten ausziehen.
Viele Jahre später, als Jaakow, der Steuerbeamte, starb und seine Seele zur Welt der Wahrheit aufstieg, kam der Moment der Abrechnung. Die Engel der Anklage erklärten, Jaakow sei schuldig, einen armen Juden und seine Familie aus ihrem Heim gejagt und sie ihres kargen Lebensunterhalts beraubt zu haben. „Was habe ich denn Schreckliches getan?“, entgegnete Jaakow. „Ich habe ihm enorme Schulden erlassen und sogar den Pachtzins mehrere Male gesenkt. Was hätte ich sonst tun können? Sollte ich mein ganzes Geld für ihn opfern? Außerdem habt ihr keine Ahnung von Geld. Ihr Engel versteht nicht, was es für uns Menschen bedeutet. Darum könnt ihr meinen Fall nicht beurteilen. Ich verlange ein Gericht, das sich aus Menschen zusammensetzt, die auf der Erde gelebt haben und mit solchen Fällen vertraut sind!“
Rasch wurde ein himmlisches Gericht zusammengestellt. Es bestand aus dem BaCh2 und dem Beit Josef3. Nachdem sie beide Seiten angehört hatten, befanden auch sie Jaakow für schuldig. Der aber wehrte sich: „Ihr habt mich nur verurteilt, weil ihr schon so lange hier seid, dass ihr vergessen habt, was Geld ist. Ich verlange, dass mein Fall von Menschen beurteilt wird, die noch auf der Erde leben!“
Der Zemach Zedek machte eine Pause. „Was meint ihr?“, fragt er die Chassidum, die aufmerksam zuhörten. Niemand traute sich, den Mund aufzumachen. Dann verkündete der Rebbe: „Gerecht, gerecht, gerecht (nicht schuldig, nicht schuldig, nicht schuldig)“. Jetzt merkten die Anwesenden, dass der Zemach Zedek soeben Yaakow, den Steuerbeamten im Himmel, freigesprochen hatte.
Diskutieren Sie mit