Die folgende Sicha stammt aus den Ergänzungen von Bd. II, S. 610, ab Daled.

XIV. Im Sohar, Paraschat Pinchas,1 heißt es, dass Pinchas ein „offenes Mem2 in der Luft schweben sah. Er fürchtete, dass es sich mit den Buchstaben Waw und Taw3 verbinden könnte, [den ersten beiden Buchstaben in den Worten] Watikach (und sie nahm), Watochal (und sie aß), Watiten (und sie gab)4 und Watipakachna (und sie wurden geöffnet)5 – was das Gegenteil von Leben in jedem Sinne bewirkte.6 Pinchas verband daher schnell das Mem mit sich selbst, wodurch er „Romach (ein Speer)“ hervorbrachte; denn es heißt dort, dass das numerische Äquivalent des Namens Pinchas dasselbe ist wie das von Jizchak, nämlich Resch-Chet (die hebräische Zahl für 208), und wenn man das Mem [zu Resch-Chet] hinzufügt, ergibt sich Romach. So heißt es: „[Pinchas sah ...] und nahm einen Romach (Speer) in seine Hand.“7 Mit diesem Romach hielt er die Pest davon ab, die Israeliten zu treffen.8 Die 24.000, die starben,9 waren alle Kinder des Erew Raw.10

XV. Die Gemara11 sagt, dass „ein ‚offenes Mem‘ eine offene Lehre und ein ‚geschlossenes Mem‘ eine geschlossene Lehre bezeichnet.“ Die Kommentatoren erklären, dass eine „offene Lehre“ sich auf die offenbarte (exoterische) Tora bezieht, während eine „geschlossene Lehre“ sich auf die verborgene (esoterische) Tora bezieht.12 Deshalb hat der Vers „Lemarbe (für den, der die Herrschaft vermehrt) ...“13 ein „geschlossenes Mem“, wo ein „offenes Mem“ sein sollte;14 denn dieser Vers spricht von der Zukunft,15 wenn man die „innere (esoterische) Dimension“ dessen, was „offenkundig (exoterisch)“ ist, wahrnehmen wird.16 An der Stelle des „offenen Mem“ gibt es also ein „geschlossenes Mem“, weil man die innere Bedeutung sogar des offenkundigen Aspekts der Tora sehen und verstehen wird.

Das „offene Mem“ bezeichnet die manifeste Tora, die die Weisheit und den Willen des Allmächtigen selbst zum Ausdruck bringt. „Worte der Tora nehmen keine Unreinheit an, wie geschrieben steht: ‚Ist Mein Wort nicht wie Feuer?‘:17 Wie das Feuer keine Unreinheit annehmen kann, so nehmen auch die Worte der Tora (einschließlich der exoterischen Tora) keine Unreinheit an.“18 Dennoch kann derjenige, der die Tora nicht richtig studiert, Schaden nehmen. Die Tora selbst wird nicht beschädigt, denn die Worte der Tora können keine Unreinheit annehmen; aber das kann man nicht von demjenigen sagen, der sie auf eine nicht verdienstvolle Weise studiert, der es versäumt, sie Lischma (um ihrer selbst willen) zu studieren und sie zu beachten, wie unsere Weisen sagen.19

Dies ist die Bedeutung der Furcht, „dass das ‚offene Mem‘, das in der Atmosphäre schwebt, sich mit dem Waw und dem Taw verbinden könnte.“ Wenn das Mem in der Atmosphäre schwebt, ist es nicht mit einer Hamschacha (Herabziehung) von Himmlischem Einfluss verbunden. Was die Tora selbst betrifft, spielt das keine Rolle, denn die Worte der Tora nehmen keine Unreinheit an. Der Buchstabe Waw bedeutet „Herabziehen“, von oben nach unten. In Texten der Kabbala20 und der Chassidut21 wird erklärt, dass die Form des Waw, eine nach unten verlaufende Linie, Hamschacha, das Herabziehen von oben nach unten, anzeigt. Wenn sich also das schwebende Mem mit einem Waw verbinden würde und diese Einheit nach unten zum Buchstaben Taw gezogen würde, hätte das nachteilige Folgen. Denn in der Gemara22 steht, dass der Buchstabe Taw die beiden Aspekte des Lebens und sein Gegenteil bezeichnet. Wenn also die Tora mit dem Taw verbunden ist, wird sie zu einem „Baum des Guten und des Bösen“, wie es im Sohar, Paraschat Nasso23 heißt und in Tanja, Iggeret haKodesch, Brief XXVI erklärt.

Um dies alles noch deutlicher zu machen: Die Neschama steigt in einen physischen Körper und eine tierische Seele hinab. (Raschbaz24 würde dazu sagen: „Chochma ila-a (die höchste Chochma von oben) wurde in einen Topf mit brodelndem Fleisch und Knochen gesteckt.“) Der Mensch befindet sich in einem materiellen Zustand, mit einer tierischen Seele und einem Jezer haRa, „der zuerst kommt, um für seine Sache zu streiten.“25 Außerdem gibt es noch „Derech Erez der Welt, was der Tora vorausgeht.“26 Wenn man sich unter diesen Bedingungen aufmacht, die Tora zu studieren, ohne irgendetwas zur Selbstvervollkommnung zu tun, also Lo Sacha, wenn er sich nicht für das Studium der Tora geläutert hat,27 dann wird die Tora für ihn das Gegenteil einer lebenspendenden Substanz, wie unsere Weisen sagen.28

XVI. Dieser negative Prozess beginnt in erster Linie mit Watere (sie sah),29 d. h., mit dem Anschauen von Dingen, die man nicht sehen sollte. Man mag laut protestieren: „Ich schaue nur, also tue ich nichts“, und sich sicher fühlen, dass dies völlig harmlos ist. Doch auf dieses Watere folgt sofort: „Watikach (und sie nahm ...) und Watochal (und sie aß)“ – d. h. sich selbst zu verderben.30 Das wiederum führt zu „Watiten (und sie gab)“ – auch andere zu verderben.31 Das Ende war: „Watipakachna – die Augen beider wurden geöffnet und sie erkannten, dass sie nackt waren“:32 Es gibt eine Erkenntnis, dass sie sogar die einzige Mizwa, die sie hatten, verloren haben, und so blieben sie „nackt“, ohne jegliche Mizwot.33

Eine große Anzahl der 613 Mizwot bezieht sich auf das Bet haMikdasch (Heiliger Tempel). Die Mizwot, die wir heute noch erfüllen können, sind also eine geringe Anzahl von 613.34 Zumindest sollten wir also mit diesen wenigen Mizwot besonders vorsichtig sein, um sie nicht zu verlieren, G-tt bewahre.

Wenn man nicht „‚nackt‘ – d. h. ohne Mizwot“ werden will, reicht es eben nicht aus, sich nur vor Watiten oder gar vor Watochal zu hüten. Man darf nicht einmal Watere zulassen. Watere, der bloße Blick, ist der erste Schritt, um abzusteigen und immer tiefer zu fallen, G-tt bewahre.35

Man mag argumentieren: „Ich bin ein Gelehrter! Ich habe eine Menge Tora studiert! Ich habe meinen Status durch große persönliche Anstrengung und Energie erreicht. Deshalb kann ich mir alles ansehen, was ich will, und es wird mir nicht schaden.“ Einem solchen Menschen wird geantwortet: „Adam wurde sozusagen von den Händen G-ttes erschaffen, und Chawa wurde aus den Rippen Adams geformt; dennoch wurden auch sie von Watere immer weiter in die Irre geführt.“

Es gibt einen Weg, sich vor dem „Bösen, der dem Gerechten auflauert, um ihn zu töten“36, zu schützen, einen Weg, sich vor dem Jezer haRa zu schützen, der jedes Mittel sucht, um die Nacktheit von Mizwot zu erreichen: Man muss, wie im zitierten Sohar gesagt wird, das „offene Mem“ – Nigle (die exoterische Tora) – mit Jizchak umschließen, denn er repräsentiert das „geschlossene Mem37, die „geschlossene (d. h. verborgene) Lehre“, d. h. Pnimijut haTora.

(Adaptiert aus einer Sicha gehalten an Jud-Gimmel Tammus 5715)