Der Erfolg war Rabbi Schalom-Ber Schapiro wohl gesonnen. Er unterrichtete kleine Kinder an einer der jüdischen Schulen in New York. Er hatte seine Schüler überaus gern, und sowohl die Kinder als auch ihre Eltern schätzten den Lehrer sehr.

Dies geschah im Jahr 1981. Einer der Väter wollte sich bei Rabbi Schapiro für die besondere Erziehung, welche er seinem Sohn gab, revanchieren. Jener Vater importierte Waren aus Taiwan. Er bot Rabbi Schapiro an, einer seiner Handelslinien in Texas zu leiten. Die Aufgabe von Rabbi Shapiro war es lediglich mit der Ware einmal in zwei Monaten nach Texas zu fahren, sie dort Geschäftsleuten zu verkaufen, und so profitable Gewinne zu machen. Das Angebot reizte Rabbi Shapiro. Nachdem er sich mit seiner Frau beraten hatte, bat er den Lubawitscher Rebben um Segen, und erhielt ihn auch. Wie als Lehrer, hatte Rabbi Schapiro auch im Handel großen Erfolg. Einmal in zwei Monaten befand er sich in den Städten Mike-Alon, Alfasso, Bronswill und in ihren Umfeldern. Dort verkaufte er die Ware und kehrte mit einer dicken Geldbörse nach Hause zurück.

Rabbi Schapiros Schwiegervater war Rabbiner Nissan Mindel, welcher als einer der Sekretäre des Rebben fungierte. Aufgrund seiner wichtigen Aufgabe befand sich Rabbiner Mindel sehr oft im Zimmer des Rebben, und so ergab sich des Öfteren die Gelegenheit, dem Rebben über seine Familie zu erzählen und um Segen für sie zu bitten. So wurde Rabbi Schapiro vom Rebben mit viel mehr als nur einem Segen beglückt.

Eines Tages erzählte Rabbiner Mindel dem Rebben über eine der bevorstehenden Fahrten seines Schwiegersohnes nach Texas. Der Rebbe nahm aus seiner Schublade drei Dollarscheine für den Schwiegersohn heraus und segnete ihn mit guter Reise. Außerdem bat der Rebbe seinen Sekretär, Rabbi Schapiro folgende Nachricht zu überbringen: In jeder Stadt, welche er besucht, soll er dafür sorgen, dass zumindest ein jüdisches Kind einen Buchstaben in der „Thorarolle für Kinder“ bekomme.

Die „Thorarollen der jüdischen Kinder“ werden seit 1981 zur Vereinigung jüdischer Kinder um die Thora geschrieben. Der Rebbe ordnete an, dass jeder Buchstabe in der Thorarolle einem anderen jüdischen Kind angehöre, indem die Eltern ihrem Kind durch einen symbolischen Geldbetrag einen Buchstaben kaufen. Auf diese Weise vereinigen sich hunderttausende Kinder durch ihre Zugehörigkeit zu einer Thorarolle. Es wurden bereits sechs solcher Thorarollen geschrieben. Rabbi Schalom-Ber Schapiro freute sich über die Ehre, den Auftrag des Rebben ausführen zu dürfen.

In Alfasso gelang es ihm, einigen jüdischen Kindern einen Buchstaben in der Thora zu verkaufen, dasselbe in Baronswill, doch in Mike-Alon konnte er kein jüdisches Kind aufspüren. Niemand seiner Bekannten wusste über Juden in der Stadt. Er versuchte sein Glück mit dem Telefonbuch der Stadt. Dort spürte er einige jüdische Namen auf. Einer davon lautete „Rubinstein“. Er rief dort an, doch zu seiner großen Enttäuschung erfuhr er, dass der Mann zwar Jude war, aber mit einer Nichtjüdin verheiratet, und dessen Kinder genauso Nichtjuden wie die Mutter waren. Bei den anderen Namen jüdischen Klanges, handelte es sich um ein Missverständnis, oder es gab keine Familien mit Kindern. Aber als Chassid wusste Rabbi Schapiro: Wenn der Rebbe ihn ausdrücklich anwies, zumindest ein jüdisches Kind in jeder Stadt, welche er besuchen würde, aufzuspüren, muss ein solches Kind auch dort vorhanden sein. Daher gab er nicht auf. Nach vielen Stunden der Suche, erfuhr Rabbi Schapiro über ein Uhrgeschäft am Stadtrand, welches zwei jüdische Männer, die verschwägert waren, leiteten. Sofort begab er sich zu der Adresse.

Als er das Geschäft betrat, blickte ihn einer der Männer erstaunt an. Wie sich herausstellte, hatte den Mann das orthodoxe Aussehen von Rabbi Shapiro an seine Kindheit in Brooklyn erinnert, als er mit seinem Großvater Hand in Hand in die Synagoge zu gehen pflegte. Doch in seiner Jugend wurde er von der Welle der Assimilation mitgerissen und von seinen jüdischen Wurzeln getrennt.

Das Gespräch mit Rabbi Schapiro hatte die Seele des Mannes sehr berührt. Er kaufte für jedes seiner Kinder einen Buchstaben in der Thora. Dies war der Beginn einer fortlaufenden und engen Freundschaft zwischen ihm und Rabbi Schapiro.

Als Rabbi Schapiro das nächste Mal in die Stadt kam, brachte er jenem Mann Bücher über das Judentum mit. Bei seinem dritten Besuch kaufte er dem Mann auf seinen Wunsch bereits einen Talit und Tefilin. Der jüdische Funken des Mannes wurde derart zum Leben erweckt, dass er beim nächsten Treffen mit Rabbi Schapiro sogar einen vollständigen Minjan (zehn Juden für das gemeinsame Gebet) für das Schabbatgebet arrangierte!

„Ich bin über die guten Neuigkeiten sehr erfreut“, schrieb der Rebbe Rabbi Schapiro bezüglich der Entwicklung jenes jüdischen Mannes aus Mike-Alon.

Jedes Mal, wenn Rabbi Schapiro diese Geschichte erzählt, berührt sie ihn aufs Neue. „Nicht umsonst forderte der Rebbe, dass ich in jeder Stadt zumindest ein jüdisches Kind in die Thorarolle einschreiben soll. Der Rebbe wollte, dass ich zu jenem Juden gelange, um ihn wieder an seine Wurzeln zu binden. Vielleicht war das auch der einzige Grund dafür, dass der Rebbe mich ermutigt hat in Mexiko Handel zu treiben.“

Heute ist jener Jude ein Chabad-Chassid und wohnt in Crown Heights, Brooklyn. Zwei seiner Kinder zählen sogar zu den Schluchim des Rebben (seine Gesandten).