Die 613. Mizwa fordert jeden Juden dazu auf, eine Tora-Rolle zu schreiben.1 Im Vers wird das wie folgt ausgedrückt2: "Und jetzt, schreib dieses Lied für dich selbst auf und lehre es den Kindern Israels. Lege es ihnen in den Mund, damit dieses Lied Mir als Zeuge für die Kinder Israels dienen kann."
Obwohl Raschi3 und einige andere Kommentatoren4 dies als ein Gebot, nur den darauf folgenden Tora-Abschnitt zu schreiben, als Haasinu ("das Lied") betrachten, versteht der Talmud5 diesen Vers als eine Verpflichtung, die gesamte Tora zu schreiben. Maimonides6 erklärt: Obwohl sich das Wort "Lied" in diesem Vers auf Haasinu bezieht, gleichzeitig aber nur einen einzelnen Abschnitt der Tora auf eine Schriftrolle zu schreiben7 verboten ist, gilt es somit als Verpflichtung, die gesamte Tora aufzuschreiben.8
Moses erfüllte dieses Gebot, indem er am Tage seines Todes eine Tora-Rolle schrieb, bzw. vollendete, wie das der Vers sagt9: "Und Moses schrieb dieses Lied an jenem Tag auf und lehrte es den Kindern Israels ... Moses vollendete das Schreiben der Worte dieser Tora in einer Schriftrolle bis zu ihrer Vervollständigung."
Diese Mizwa widerspiegelt sich im Extra-Gebot für einen König, eine zweite Tora-Rolle zu schreiben,10 also zusätzlich zur Tora-Rolle, die er wie jeder andere Jude auch schreiben soll, verpflichtet ist, eine zweite Tora-Rolle zu schreiben, die er mit sich tragen und aus der er ständig lesen soll.11
Die Details des Schreibens einer Tora-Rolle
- Es ist nicht nötig, diese Tora-Rolle selbst zu schreiben und all die zahlreichen Gesetze zu studieren, die mit dieser Mizwa verbunden sind, um diese Pflicht zu erfüllen, sondern es ist auch möglich, einen bewanderten Schreiber damit zu beauftragen.
- Schreibt jedoch jemand selbst (eigenhändig) eine Tora-Rolle, so ist es, als hätte er sie vom Sinai-Berg empfangen.12
- Kauft jemand eine bereits fertig geschriebene Tora-Rolle, so hat er diese Pflicht nicht erfüllt, es sei denn, er habe dort mindestens einen Buchstaben korrigiert, der zuvor ungültig war.13 Andere sagen, dass er diese Mizwa durch den Kauf einer fertiggestellten Tora-Rolle zwar erfüllt hat, doch nicht auf eine optimale Art und Weise.14
- Erfüllt jemand diese Mizwa, aber die Tora-Rolle wird anschließend verkauft oder geht verloren hat, so muss er eine neue Tora-Rolle schreiben oder beim Schreiber bestellen.15
- Einige sagen, dass diese Mizwa nicht erfüllt werden kann, wenn sich die Tora-Rolle im gemeinsamen Besitz Mehrerer befindet.16 Doch gibt es auch halachische Autoritäten, die anderer Meinung sind.17
- Gemäß Maimonides18 ind Frauen nicht zu dieser Mizwa verpflichtet. Der Bejt HaLevi19 erklärt, der Grund dafür sei die Tatsache, dass sie auch von der Mizwa des Tora-Studiums befreit sind.20 Andere wiederum stellen Maimonides Entscheidung, was dieses Thema anbelangt, in Frage.21
Warum schreibt bzw. bestellt nicht jeder Jude eine eigene Tora-Rolle?
Der Lubawitscher Rebbe weist darauf hin, dass es keinerlei Aufzeichnungen gibt, wonach die Juden nach Erhalt dieser Mizwa plötzlich mit einem massenhaften Schreiben tausender Tora-Rollen begonnen hätten. Wir können auch keinen historischen Beleg dafür finden, dass tausende Schreiber damit beauftragt wurden. Der Rebbe folgert, weil es der Hauptzweck der Tora-Rolle ist, aus ihr zu lesen, und wir sie hauptsächlich in der Synagoge lesen, wir unsere Pflicht durch eine der Gemeinde gehörende Tora-Rolle erfüllen. Zusätzlich zur Tatsache, dass wir als Gemeindemitglieder einen Anteil an der Tora-Rolle haben, können während des Lesens in der Tora-Rolle bzw. während der Alija (Aufstieg zur Tora), in der wir beim Aufsteigen einen der Segenssprüche über die Tora sagen, als Volleigentümer der Tora angesehen werden.22 Es ist eine unausgesprochene Abmachung, dass dem zur Tora Aufgerufenen von allen Gemeindemitgliedern für die Zeit der Alija volles Eigentumsrecht an der Tora-Rolle gewährt wird. Nach Beendigung der Alija geht das Eigentumsrecht an die Gemeinde zurück.23
Es reicht nicht unbedingt aus, ein gemeinsames Eigentumsrecht an einer Tora-Rolle zu besitzen, sondern es soll trotzdem ein Schreiber extra beauftragt werden, sie an unserer Stelle zu schreiben. Dann aber betrachten wir diesen Schreiber, wenn er eine Tora-Rolle für die Gemeinde schreibt, als einen beauftragten Vertreter der gesamten Gemeinde. Auch wenn die Tora-Rolle korrigiert werden muss – was oft vorkommt – so wird auch der Schreiber, der die Korrekturen ausführt, als ein Agent der gesamten Gemeinde betrachtet. Selbst jene, die zur Zeit des Schreibens der Tora-Rolle noch gar nicht auf der Welt waren, haben einen Anteil an ihrer Schreibung.24
Das erklärt, wie wir alle diese Mizwa heutzutage erfüllen können – selbst gemäß jener Ansichten, dass es nicht ausreicht, nur Teilhaber zu sein, und wir unsere eigene Tora-Rolle schreiben sollen.
Der Lubawitscher Rebbe bemühte sich darum, Kampagnen ins Leben zu rufen, die das ganze jüdische Volk in dieser Mizwa vereinen, indem so viele Juden wie möglich Buchstaben in Tora-Rollen kaufen würden, die in Jerusalem geschrieben werden. Um jüdische Kinder ebenfalls zu vereinen, werden für sie separate Tora-Rollen geschrieben.
Das Kaufen anderer Heiliger Bücher
Der Rosch (Rabbejnu Ascher Ben Jechiel ca. 1250-1328) schreibt,25 dass in früheren Zeiten, die Tora-Rolle der einzige geschriebene Text war, den die Juden in der Praxis zum Studieren der Tora zur Verfügung hatten, da es ja verboten war, die mündliche Tora niederzuschreiben.26 Heutzutage jedoch, wo es nun erlaubt ist, die mündliche Tora schriftlich festzuhalten,27 und die Tora-Rolle in der Synagoge eigentlich nur für öffentliche Lesungen aus dem Tora.Schrein herausgeholt wird und nicht unbedingt als Studientext dient, umfasst die Pflicht, eine Tora-Rolle zu schreiben die Pflicht, sich heilige Bücher anzuschaffen, die dann studiert werden können.
Einige verstehen daraus, dass wir daher nicht mehr dazu verpflichtet sind, eine eigene Tora-Rolle zu besitzen oder zu schreiben, und dass wir dieser Pflicht vollständig nachkommen, indem wir uns Bemühen, heilige Bücher im Haus zu haben, wie z.B. Chumash, Mischna, Talmud, Kodex des jüdischen Gesetzes etc.28 Andere interpretieren das Kommentar des Rosch so, dass wir seiner Meinung nach immer noch zum Schreiben einer Tora-Rolle verpflichtet sind, nur dass wir uns zusätzlich noch andere heilige Bücher zulegen sollen.29
Die Details, was das Besitzen von heiligen Büchern anbelangt
- Im Gegensatz zur Tora-Rolle, wo es keine zu akzeptierende Ideallösung ist, eine bereits fertiggestellte Tora-Rolle zu kaufen, können wir unsere die heiligen Bücher betreffende Pflicht mit dem Kauf gedruckter Bücher erfüllen. Es besteht kein Grund, diese selber zu schreiben, nachdem heilige Bücher nicht als "heiliger" gelten, wenn sie von Hand geschrieben und nicht gedruckt wurden.30
- Wer die Verpflichtung, eine Tora-Rolle zu schreiben, durch das Besitzen heiliger Bücher erfüllen will, braucht sich dazu durchaus nicht alle heiligen Bücher anzuschaffen, die im Handel erhältlich sind.31
- Jedoch ist darauf zu achten, die grundlegendsten heiligen Bücher, die für das jüdische Leben und Lernen von absoluter Notwendigkeit sind, im Haus zu haben und diese als erste zu kaufen, wie z.B. Gebetsbuch, Chumasch, Tanach, Mischna, jüdische Gesetzbücher.32
- Diese Mizwa mit heiligen Büchern ist in der uns verständlichen Sprache zu erfüllen. Die Bücher brauchen also nicht hebräisch zu sein. Es gibt bereits eine ganze Reihe ins Deutsch übersetzter heiliger Bücher.33
- Ich habe von meinem Lehrer Rabbi Chaim Schlomo Dietch, Dekan des Kollegs Zemach Zedek in Jerusalem, von der Ansicht des Roschs gehört, dass die Pflicht, eine Tora-Rolle zu schreiben, auch die Pflicht, andere heilige Bücher zu kaufen, mit einschließt. Daraus resultiert der Brauch, den Bar Mizwa-Kandidaten mit Büchern zu beschenken. Denn ein dreizehnjähriger Junge wird gemäß Halacha als ein erwachsener Mann, der von jetzt an alle Mizwot der Tora erfüllen muss, betrachtet. Das schließt auch die Mizwa, heilige Bücher zu besitzen, mit ein. Seine Freunde und seine Familie helfen ihm, diese Mizwa zu erfüllen, indem sie ihm heilige Bücher kaufen.
Diskutieren Sie mit