Unsere Geschichte nahm ihren Anfang vor ungefähr zweiunddreißig Jahren. Der jüdischen Gemeinde Massachusetts schloss sich eine weitere jüdische Familie an. Sie war russischer Abstammung, und erst kürzlich gelang es ihr, den eisernen Vorhang Russlands zu durchdringen und in die USA einzuwandern. Die neue Familie integrierte sich recht schnell in ihre liebevolle Gemeinde. Einer der Söhne war bereits zwei Jahre alt, aber noch nicht beschnitten. Die Gemeinde sorgte für einen Mohel und eine prächtige Beschneidungszeremonie. Für die Familie war dies ein großer Moment.
Später erfuhr die Gemeinde zu ihrer großen Überraschung, dass der Vater selbst noch keine Beschneidung hatte. Der dortige Chabad-Rabbiner, Herschel Vogelman, erklärte dem Vater, dass auch in seinem Alter überhaupt keine Gefahr einer Beschneidung für ihn bestünde. Doch aus irgendeinem Grund weigerte sich der Mann vehement. Die Familie führte ein völlig religiöses Leben, wodurch dieser unerklärliche Widerstand des Vaters sich einer Beschneidung zu unterziehen umso überraschender war. Der Rabbiner versuchte den Mann von der Wichtigkeit der Beschneidung zu überzeugen, welche ja der Bund zwischen G-tt und dem Juden ist; doch der Vater blieb stur.
Rabbi Herschel Vogelman beschloss, dem Lubawitscher Rebben davon zu berichten und erbat seinen Segen, dass der Vater sich letztendlich doch einer Beschneidung unterziehen würde. Die Antwort des Rebben war sehr außergewöhnlich. Rabbi Vogelman sollte dem Vater mitteilen, dass sobald sich jener bereit erkläre die Beschneidung durchführen, der Lubawitscher Rebbe ihm persönlich einen Dollarschein übergeben werde. Zu jener Zeit fanden noch nicht die spektakulären, sonntägigen Dollarverteilungen des Rebben statt. Einen Dollar vom Rebben für Segen in jenen Tagen zu erhalten war sehr selten. Rabbi Vogelman übermittelte dem Mann das Angebot des Rebben, doch dieser war davon nicht sehr begeistert. Er bevorzugte es unbeschnitten zu bleiben. Rabbi Vogelman sah ein, dass zeitweilig den Mann nichts überreden könnte. Aber er vertraute auf den Lubawitscher Rebben. Alles würde letzten Endes zum Guten kommen.
Inzwischen vergingen viele Jahre und der Vorfall um die Beschneidung des Vaters geriet in Vergessenheit. Vor etwa vier Jahren verlobte sich der älteste Sohn der Familie, und drei Monate später trat er in den Bund der Ehe. Doch bei der freudigen Hochzeit war ein Mann, der es bevorzugte die Feier von seinem Tisch zu beobachten, als sich an ihr aktiv zu beteiligen. Dabei handelte es sich nicht etwa um einen greisen Gast, der keinen Schwung mehr zum Tanzen hatte. Es war kein anderer als der Vater des Bräutigams! Er schien nicht weniger erfreut als alle anderen, doch er blieb die ganze Zeit auf seinem Platz sitzen und beobachtete nur die tanzende Menge. Familie, Freunde und Bekannte forderten ihn auf mitzutanzen und versuchten ihn auf die Tanzfläche zu bringen, doch er wusste, wie bekanntlich, hartnäckig zu sein und verweilte auf seinem Platz, bis zum Ende der Hochzeit. Niemand begriff sein kurioses Verhalten.
Womöglich wäre auch dieser Vorfall in Vergessenheit geraten, doch bei den Feierlichkeiten der Schewa Brachot, welche in der ersten Woche nach der Hochzeit stattfanden, hüpfte und tanzte der Vater auf einmal wie noch nie in seinem Leben vor den Augen der erstaunten Familie. Diese war nun gänzlich verdutzt. Bei der Hochzeit weigerte er sich vehement zu tanzen, und nun, bei den kleineren Feierlichkeiten tobte er vor Freude?!
Die Feierlichkeiten jedes Tages der Schewa Brachot verliefen auf diese Weise. An einem der Abende, als die Feierlichkeiten in einem Nobelrestaurant in Manhattan stattfanden, fragte schließlich ein Gast den Vater über sein seltsames Verhalten während der Hochzeit und der darauffolgenden Tage.
Auf einmal herrschte Totenstille im Raum. Alle waren gespannt, das Geheimnis des Vaters zu erfahren. Dieser erhob sich von seinem Stuhl, und mit Tränen in den Augen fing er an zu erzählen: „Einige Tage vor der Hochzeit entschloss ich mich plötzlich, dass ich mich zu Ehren dieses großen Moments der Beschneidung unterziehen will. Der Hochzeitstag war der dritte Tag nach der Beschneidung, an dem sie besonders schmerzte. Deshalb musste ich mich zurückhalten.“
Die Anwesenden waren zutiefst gerührt und beeindruckt von dem Mut des Vaters. Einer von ihnen, ein Chabad-Chassid aus Crown Hights, war von der Tat des Vaters so bewegt, dass er aufstand und dem Frischbeschnittenen voller Aufregung verkündete: „Für eine solch mutige Tat gebührt Dir ein Dollar vom Lubawitscher Rebben.“ Er zog aus seiner Brieftasche einen Dollarschein, den er persönlich vom Rebben erhalten hatte, und übergab ihn dem Vater. Dieser glaubte seinen Augen nicht. Mit zitternden Händen empfing er den Dollarschein und starrte ihn an, als ob er nicht von dieser Welt wäre. Die Anwesenden verstanden nicht wirklich diese außergewöhnliche Reaktion des Vaters. Doch das war nicht alles. Als der Vater den Dollarschein näher betrachtete, warf es ihn völlig um. Er ließ sich auf seinen Sessel fallen, überwältigt und in sich eingenommen. Keiner der Anwesenden konnte auch nur ahnen, was in dem Mann vorging. Nachdem er etwas zu sich gekommen war, erzählte er den Anwesenden, dass der Lubawitscher Rebbe ihm vor über dreißig Jahren einen Dollarschein versprach, sobald er eine Beschneidung vollziehe. „Und nun ist das Versprechen in Erfüllung gegangen!“ Und der Vater erzählte weiter: „Doch noch verblüffender ist das Datum, an welchem der Chabad-Chassid den Dollar vom Rebben erhielt. Es war derselbe Tag im selben Monat, an dem meine Beschneidung stattfand!“
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