In Boston lebte ein sehr warmherziger Jude, welcher aktiv in der dortigen jüdischen Gemeinde „Young Israel“ mitwirkte. Seine Kinder lernten alle in jüdischen Schulen. Als sie heranreiften, meldete sie der Vater an der namhaften Universität in Boston an, um ihnen eine hohe Bildung zu ermöglichen. In jenen Jahren studierten dort zahlreiche religiöse Juden. Es wurde sogar eine separate Küche geöffnet, die koschere Speisen gegen Bezahlung anbot.
Ein halbes Jahr nach Studienbeginn, überraschte einer seiner Söhne den Vater mit einem Anruf. Der Inhalt des Gespräches war um Vieles unerwarteter. Der Student sprach mit seinem Vater offen; er bat ihn nicht weiter für das extrakoschere Essen zu zahlen. „Seit ein paar Monaten achte ich nicht mehr auf koschere Kost und esse mit allen anderen im allgemeinen Speisesaal der Universität.“ Der Vater war entsetzt. Er hätte nicht im Geringsten geahnt, was für eine Auswirkung die Universität auf seinen Sohn haben würde. Der Vater sah der tragischen Realität ins Auge: Sein Sohn entfernte sich von der Thora und den Mitzwot. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis er nichts mehr mit dem Judentum zu tun haben wollte...
Eines Tages traf der Vater einen Bekannten. Dieser merkte sofort, dass ihm etwas schwer am Herzen lag. Der Mann fragte ihn nach seinem Wohlbefinden. Der Vater versuchte ihm etwas vorzumachen, doch er war ein echter Freund und wollte ihn wirklich unterstützen. Er bestand darauf zu wissen, was ihm widerfahren war; schließlich schüttete ihm der Vater vollen Schmerzes sein Herz aus. Der Freund blickte ihn mitfühlend an: „Ich kann Dein Leid nachempfinden. Doch ich kenne jemanden, der Dir helfen kann“, sagte er. „Der Lubawitscher Rebbe. Du weißt, ich bin kein Chabad-Chassid, sodass ich keinerlei Interesse daran hätte, den Namen des Lubawitscher Rebben zu verherrlichen“, sprach er weiter. „Aber ich kann Dir mit Sicherheit sagen, das was ich über ihn gehört habe, lässt jeden Zweifel aus, dass nur er Dir weiterhelfen kann!“
Der Vater weigerte sich daran zu glauben. Er versuchte schon mit vielen Mitteln, seinen Sohn auf den rechten Weg zurückzuweisen, und alle Bemühungen waren misslungen. Aus welchem Grund also sollte dieser Rabbi aus New York, welcher seinen Sohn weder gesehen hat noch im Geringsten kannte, es schaffen, auf ihn einzureden. Der Freund hörte die Zweifel des Vaters und konterte sofort mit ein paar Geschichten vom Lubawitscher Rebben, welche er aus erster Quelle vernommen hatte. „Was stört es Dich es zu versuchen?“, versuchte er den Vater zu überreden. „Schaden kann es sicher nicht!“ Schließlich stimmte der Vater zu. Man vereinbarte einen Termin mit den Rebben für ein Gespräch unter vier Augen.
Der Tag des Meetings war gekommen. Der Vater flog nach New York und traf in das weltbekannte Chabadzentrum „770“ mitten in der Nacht ein. Die außergewöhnliche und stille Atmosphäre, die in dem Vorraum vor dem Zimmer des Rebben herrschte, beruhigte ein wenig den besorgten Mann.
Als er an der Reihe war, trat er aufgeregt in den Raum des Rebben, stellte sich vor und erzählte ihm die traurige Geschichte. Der Rebbe äußerte sich in folgenden Worten: „Geben Sie Acht, dass Sie den Kontakt zu Ihrem Sohn nicht verlieren. Bleiben Sie in Verbindung mit ihm und akzeptieren Sie ihn, wie er ist. Im Endeffekt wird er auf den rechten Weg zurückkehren!“ Der Rebbe fügte noch einen weiteren Satz hinzu: „Dies kann lange dauern ... achtzehn, zwanzig, sogar zweiundzwanzig Jahre, aber er wird schließlich auf den richtigen Weg zurückfinden!“
Der sanfte Ton, sowie der besondere Blick des Rebben, ließen den Vater beruhigt aus dem Zimmer gehen. Sein Herz sagte ihm, dass der Rebbe nicht einfach so diese Zahlen geworfen hatte, und dass er in Geduld abwarten müsse. Er befolgte die Anordnung des Rebben und blieb in Kontakt mit seinem Sohn. Inzwischen ging die Karriere des Sohnes bergauf und gelangte sogar bis in die Ränge des Weißen Hauses. Deshalb musste er nach Washington ziehen. Von seinen Eltern sonderte er sich immer weiter ab. Nur telefonischen Kontakt gab es noch.
Viele Jahre vergingen seitdem. Und dann, eines Tages, nach achtzehn Jahren, bekamen die Eltern einen überraschenden Anruf von ihrem Sohn. Normalerweise war der Vater derjenige, welcher anrief. Doch es wurde noch aufregender. Der Sohn wollte Rosch Haschana mit seiner Familie verbringen. Schon achtzehn Jahre war er nicht mehr Zuhause gewesen! „Dein Zimmer wartet auf Dich“, antwortete der Vater mit Tränen in den Augen. Der Sohn kam nach Hause. Er ging mit seinem Vater in die Synagoge und speiste mit der Familie die festlichen Mahle. Es herrschte eine wunderbare Atmosphäre. Doch sobald der Feiertag zu Ende war, verabschiedete sich der Sohn und kehrte zu seinen Geschäften zurück.
Es vergingen zwei weitere Jahre. Nun waren es bereits zwanzig Jahre seit dem Gespräch mit dem Rebben. Wiederum rief der Sohn an. Er wollte das Pessachfest mit den Eltern verbringen. Sie waren voller Freude und hatten eine wunderbare Woche mit ihrem Sohn. Der Vater bedrängte den Sohn nicht bezüglich seiner Religiosität, sondern wartete geduldig ab, wie sich die Dinge selbst entwickelten, vollständig den Worten des Rebben vertrauend.
Nach zwei weiteren Jahren kam schließlich die wahre Überraschung. Der Sohn rief seine Eltern an und lud sie zu Rosch Haschana zu sich ein! „Ich habe meine Küche koscher gemacht“, sagte er gerührt. „Ich habe mich entschieden, wieder koscher zu essen!“ Es stellte sich heraus, dass der Sohn den Schaliach (Des Lubawitscher Rebben Gesandten) in Washington kennengelernt hatte, welcher ihn wieder Schritt für Schritt zum Judentum näherbrachte.
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