Neue Freunde sind verwirrt, ja befremdet, wenn sie hören, in welcher Art ich den Schabbat halte. Sie sind überrascht zu erfahren, dass ich nicht schreibe, keinen elektrischen Schalter betätige, kein Telefon verwende und auch nicht koche, oder eine Reihe anderer alltäglicher Aktivitäten verrichte. Und dies jede Woche für 25 Stunden vom Sonnenuntergang am Freitag Abend bis zum Einbruch der Nacht am Samstag.

Nach dieser kurzen Zeitspanne bin ich kehre ich zum Alltag zurück und sause weiterhin in der allgemeinen schnellen Tretmühle mit. Niemand, der oder die mich inmitten meines hektischen Lebens sieht, würde glauben, dass ich so regelmässig eine so ausführliche Auszeit nehme. „Wie kannst du dir das leisten?“ fragen die Leute. Wenn sie hören, dass meine Beachtung des Schabbats auch Einkäufe, Theaterbesuche und eine weite Bandbreite von Freizeitaktivitäten ausschliesst, fragen sie mit gehobenen Augenbrauen: „Warum tust du dir das an?“

Diese Reaktion ist durchaus nicht überraschend. Sie kommt von der natürlichen Annahme, dass es schwierig, wenn nicht gar unmöglich sei, von unseren täglichen Aktivitäten Abstand zu nehmen. Man denke an die Werbeeinschaltungen, in denen der abgehetzte Bergsteiger unsicher am höchsten Gipfel positioniert, sich in einen Laptop einloggt um seine E-Mails abzurufen, oder die Sonnenbadende auf einer einsamen Insel ein Geschäft in letzter Minute abschliesst, obwohl sie behauptet auf Urlaub zu sein.

„Sechs Tage sollst du alle deine Werke tun, doch am siebenten Tag ist Schabbat für G-tt, deinen Herrn, keinerlei Werk sollst du verrichten“1

Anscheinend nehmen alle dieses vierte der zehn Gebote recht ernst – das heisst den Teil, der von der Arbeit an sechs Tagen spricht. Doch natürlich ist das gesamte Gebot relevant: Schabbat wird erst bedeutungsvoll durch die Arbeitstage und die Arbeitstage werden durch den Schabbat auf eine höhere Ebene gehoben.

Die Kabbala lehrt, dass G-tt sechs Tage damit beschäftigt war eine Bühne aufzubauen, auf der wir alle die Schauspieler sind. Er tat dies, indem Er seine Energie begrenzte und sich sozusagen zurückzog um dadurch einen „Freiraum“ zu schaffen, den wir „die Welt“ nennen. G-tt bleibt im Verborgenen, um uns unsere Freiheit und freie Wahl zu ermöglichen. Er hofft, dass wir den Tikkun Olam, die Vollendung der Welt, wählen. Er hofft, dass wir Seinen Plan wertschätzen indem wir sechs Tage der Woche damit verbringen, diese Welt zu verbessern, die G-ttlichkeit aufzudecken, die in allen Dingen steckt, und den G-ttlichen Funken von Energie freizusetzen, der allen Dingen Leben gibt.

Im Alltag jedoch, wenn wir in unserer Arbeit versinken, wird es zu einem Kampf, die Oberhand zu bewahren. Im Endlosen Konflikt zwischen „Erde“ und „Geist“ ist oft die „Erde“ am längeren Hebel. Es ist leicht, unseren Ursprung zu vergessen, oder den Grund unseres Daseins, den Ausgangspunkt dieser Reise, die wir Leben nennen. Schabbat ist eine machtvolle Erinnerung, die uns zurückholt an den Anfang. Es ist eine Wiedervereinigung mit unserem inneren Selbst, eine Rückkehr zur ursprünglichen Einheit mit G-tt, welche unsere Seele genoss, bevor sie in unsere jetzige Existenz geschickt wurde. Es ist eine Rückkehr zu jener Perfektion, die nach den sechs Tagen der Schöpfung, vor dem Sündenfall, herrschte.

Dass ich am Schabbat nicht koche, nicht einkaufen gehe, oder kein Fax schicke ist ebenso sehr eine Aussage wie eine Lebensweise. Am Schabbat lasse ich davon ab, die Energien und Kräfte dieser Welt zu nutzen. Ich unterbreche mein Bedürfnis zu beherrschen und zu verändern. Indem ich das ursprüngliche Muster G-ttes spiegle – nämlich nach sechs Tagen der Erfindung und Erneuerung zu ruhen – lüfte ich den Schleier und befinde mich Angesicht zu Angesicht mit mir selbst und meinem G-tt.

Denken wir noch einmal nach, diesmal über diese Werbeeinschaltungen mit bezaubernden Ferienangeboten zu exotischen sonnendurchfluteten Inseln, und ihrem Versprechen, dem alltäglichen Trott zu entkommen. Und nicht nur bist du hunderte oder tausende Kilometer entfernt, sondern auch Telefon, Fax und e-mail sind abgeschalten! Welch eine Erholung! Und das ist es, was ich jede Woche am Freitag erlebe, wenn die Sonne dabei ist, unterzugehen, und ich mich von meinen alltäglichen Anforderungen loslöse. Ich entzünde die Schabbatkerzen und etwas verändert sich, meine Gedanken werden klar und ich atme tief durch, wissend, dass ich an einem Ort bin, den ich aus eigener Kraft nie erreicht hätte.