Etwa zu der Zeit, als Herodes den zweiten Tempel erneuerte, lebte ein Mann namens Nikanor in Israel. Als er von der herrlichen Renovierung des heiligen Tempels hörte, wollte er unbedingt an der großen Arbeit teilnehmen und seinen Beitrag zu G–ttes Haus leisten.
Er beschloss, zwei riesige Kupfertore zu spenden, die vom Hof zum Beit Hamikdasch führen sollten. Damals war die ägyptische Stadt Alexandria als Zentrum der Kupferschmiede berühmt. Darum reiste Nikanor nach Ägypten, um die Tore in Auftrag zu geben und die Arbeit zu überwachen. Da er wohlhabend war, mietete er eine Werkstatt und stellte die besten Schmiede ein, damit sie die Tore entwarfen und herstellten.
Die sorgfältige Arbeit an den gigantischen Toren kam nur langsam voran. Als die Schmiede endlich fertig waren, konnte Nikanor es kaum erwarten, dass seine schönen Tore ein Teil des heiligen Tempels wurden. Er stellte geschickte Träger ein, um die Tore zum Hafen zu bringen, wo ein Schiff vor Anker lag, um ins Heilige Land zu segeln. Zu guter Letzt wurden die Tore auf das Schiff gebracht, und bald waren sie auf dem Weg nach Israel.
In den ersten paar Tagen verlief alles nach Plan; aber dann änderte sich plötzlich das Wetter, und ein schrecklicher Sturm kam auf. Riesige, wütende Wellen krachten gegen den Schiffsrumpf, so dass es sich mit Wasser füllte und zu sinken drohte. Rasch bemühten sich die Seeleute, die Schiffslast zu verringern.
In Panik lief der Kapitän zu Nikanor und bat: „Du musst uns erlauben, wenigstens ein Tor über Bord zu werfen. Sie sind der schwerste Teil der Ladung, und sie müssen weg, wenn wir überleben wollen.“
Davon wollte Nikanor nichts hören. Er klammerte sich mit aller Kraft an die Tore; doch bald sah er ein, dass seine Proteste nutzlos waren. Ein paar kräftige Matrosen warfen eines der schweren Tore ins Wasser, während Nikanor entsetzt zusah. Sofort richtete sich das Schiff ein wenig auf; aber der Sturm tobte weiter, und nach kurzer Zeit lief das Schiff erneut voll Wasser.
Die Seeleute wollten auch das zweite Tor über Bord werfen; doch Nikanor schrie verzweifelt: „Wenn ihr das tut, müsst ihr auch mich ins Meer werfen! Ich trenne mich nicht von ihm!“
Dennoch packten die Matrosen das Tor und warfen es ins Wasser. Kaum hatte es die Wellen berührt, beruhigte sich die See. Nikanor schaute sich um und sah das Tor, das auf dem ruhigen Wasser wie Gold in der Sonne funkelte. Wie durch ein Wunder war es nicht gesunken, sondern trieb nach Erez Israel. Nikanor war überglücklich. Das Tor trieb an Land, als das Schiff andockte. Einige Tage später erreichte auch das zweite Tor die Küste von Akko.
Die beiden Tore wurden feierlich nach Jerusalem gebracht und an einem Ehrenplatz eingebaut: in die östliche Mauer gegenüber dem Heichal und dem Allerheiligsten. Der Eingang erhielt den Namen „Tor des Nikanor“.
Viele Jahre später, als alle Tore des heiligen Tempels mit Gold überzogen oder gegen goldene Tore ausgetauscht wurden, blieben die Tore des Nikanor unverändert, zum Andenken an das große Wunder, das ihrem Einbau vorausgegangen war.

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