Groß war die Not der Juden, die nach der Zerstörung des zweiten Tempels unter römischer Herrschaft lebten. Die Regierung verfolgte das arme, wehrlose, geschlagene Volk ständig. Dennoch gelang es den Römern nicht, den starken Willen der Juden zu brechen.
Damals waren die Rabbiner Elieser, Joschua und Gamliel die führenden Juden. Sie reisten nach Rom und wollten darum bitten, die harten Dekrete aufzuheben, unter denen unschuldige Juden litten.
Aber inzwischen war ein neues Dekret erlassen worden: Im ganzen römischen Reich durfte es spätestens in dreißig Tagen keinen einzigen Juden mehr geben. Das bedeutete den Untergang des ganzen jüdischen Volkes – G-tt verhüte es –; denn Rom herrschte über fast die ganze bekannte Welt!
Wohin konnten die Juden in dieser kurzen Zeit fliehen? Wie alle Römer verehrten die Senatoren damals Götzen – mit einer bemerkenswerten Ausnahme, einem Mann, der an den einen G-tt glaubte.
Dieser Senator war als Bewunderer der Juden bekannt und hatte viele jüdische Freunde. Als er von dem schrecklichen neuen Dekret erfuhr, eilte er sofort zu Rabban Gamliel und informierte ihn. Gamliel und seine Kollegen waren verzweifelt. Rom regierte die Welt, und es war unmöglich, dass Hunderttausende von Männern, Frauen und Kinder plötzlich in einem fernen Land Zuflucht fanden.
„Keine Sorge!“, sagte der Senator. „Euer G-tt ist groß und lässt euch gewiss nicht im Stich. Ihr habt noch dreißig Tage Zeit, bis das Dekret in Kraft tritt, und G-tt kann euch in einem einzige Augenblick retten.“
Die Tage und Wochen vergingen ereignislos. Nur noch fünf Tage, dann wurde das Dekret zum Gesetz. Der Senator und seine Frau machten sich Sorgen um ihre Freunde, aber sie sahen keinen Ausweg.
Eines Tages unterhielten sie sich über die bedrohliche Lage der Juden, und der Senator sagte traurig:
„Ich schäme mich, einem Volk anzugehören, das so bösartig zu den unschuldigen und wehrlosen Juden ist.“
Seine Frau schwieg eine Weile; dann sagte sie langsam und in ernstem Ton: „Bist du sicher, dass du nichts für sie tun kannst?“
„In diesem Stadium gibt es nur eine Rettung: Wenn ein Senator stirbt, wird das Dekret annulliert. Denn wie du weißt, werden gemäß dem römischen Recht in diesem Fall alle Gesetze null und nichtig, die in den letzten dreißig Tagen erlassen wurden.“
Fünf Tage später saßen der Senator und seine Frau wieder in ihrem Haus und überlegten, wie sie den Juden helfen konnten.
„Heute ist der dreißigste und letzte Tag“, sagte der Senator verzweifelt. „Es ist furchtbar! Wenn ich doch nur etwas tun könnte!“
„Wenn du das ernst meinst, kannst etwas tun“, entgegnete seine Frau. „Ich weiß, was ich an deiner Stelle tun würde, um der Welt zu zeigen, dass es in Rom wenigstens einen Mann gibt, der ein Gewissen und Sinn für Anstand und Respekt vor seinen Mitmenschen hat.“
Nachdem sie diese denkwürdigen Worte gesprochen hatte, betrachtete sie traurig den schönen Ring an ihrem Finger. Der Senator verstand sofort, was sie meinte. Dieser Ring besaß eine verborgene Kammer, die ein tödliches Gift enthielt. Ohne zu zögern, verabschiedete der Senator sich von seiner langjährigen Lebensgefährtin, führte den Ring an die Lippen, und nach wenigen Sekunden fror der Tod das Lächeln auf dem edlen Antlitz ein.
Dank dieses großartigen Selbstopfers wurde das Dekret gegen die Juden sofort aufgehoben. Als die Tannaim vom Tod ihres Freundes erfuhren, eilten sie zu seiner Witwe, um sie zu trösten. Sie rühmten den Edelmut und die Größe ihres Gatten, der sein Leben geopfert hatte, um das jüdische Volk zu retten. Keine Worte konnten ihre Dankbarkeit ausdrücken.
„Es hätte uns mit Stolz erfüllt, wäre dein Mann einer von uns gewesen“, erklärten sie.
„Ihr habt guten Grund, stolz auf ihn zu sein“, erwiderte die Witwe. „Denn was seinen Glauben anbelangt, so war er in jeder Hinsicht einer von euch!“
ב"ה
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