Reb Menachem Mendel von Kosow reiste nach Skole, um seinen Rebbe, Reb Feiwisch von Sabriza, zu treffen. Er ging zu Fuß, weil er kein Geld für eine Kutsche hatte. Unterwegs hielt er an einer Herberge an und fragte den Wirt, ob er dort schlafen dürfe. „Selbstverständlich“, sagte der Wirt, „aber ich kann dir nichts zu essen geben. Meine Familie hat seit Tagen kein Krümel gegessen. Und ich schulde dem Grundherrn seit Monaten die Miete. Wenn ich nicht bald bezahle, wirft er mich ins Gefängnis.“

Reb Mendel tat die ganze Nacht kein Auge zu, weil die Lage der Familie ihn so betrübte. Am Morgen brach er nach Skole auf. Auf dem Weg dorthin überholte ihn eine Kutsche. Ein Jude, der in ihr saß, rief: „Wohin gehst du?“

„Ich will den Schabbat mit Reb Feiwisch von Sabriza verbringen“, antwortete Reb Mendel.

„Dann steig ein. Ich fahre in diese Richtung“, bot der reiche Jude ihm an.

„Ich steige nur ein, wenn du mir zwölf Silbermünzen gibst“, erwiderte Reb Mendel.

„Du verlangst Geld dafür, dass ich dich mitnehme?“ fragte der Mann verdutzt.

„Es ist nicht für mich“, erklärte Reb Mendel, „sondern für eine arme Familie. Außerdem weiß man nie, wie das Rad des Schicksals sich dreht.“

Nach diesen Worten gab der reiche Jude ihm nicht nur die Münzen, sondern fuhr sogar zur Herberge und überreichte sie dem Pächter selbst.

Bevor er die Herberge verließ, um weiterzureisen, sagte Reb Mendel zum Wirt: „Von nun an wird dein Geschäft blühen. Du wirst nach und nach sehr reich werden. Aber mein reicher Begleiter wird sein ganzes Vermögen verlieren. Wenn die Zeit kommt, denke daran, Gutes mit Gutem zu vergelten.“

Als Reb Mendel bei Reb Feiwisch ankam, erzählte er dem Rebbe, dass der reiche Mann eine ganze Familie vor der Armut gerettet hatte.

„Ich weiß, mein Sohn“, antwortete Reb Feiwisch. „Aber hast du dem Wirt auch gesagt, was er tun soll, wenn die Zeit kommt?“

„Ja“, versicherte ihm Reb Mendel. „Und er hat es verstanden.“

In der Tat gingen die Geschäfte des reichen Jude immer schlechter. Alles, was er tat, trug ihm Verluste ein, und schließlich war er bankrott. Er musste bettelnd von Stadt zu Stadt gehen. Der Wirt wurde dagegen wohlhabend. Jahre vergingen, und eines Tages wanderte der einst reiche Mann nach Kosow. Andere Bettler hatten ihm geraten, Reb Mendel von Kosow zu besuchen. „Er ist ein großer Rebbe und weiß, wie man Leuten wie uns hilft.“

Reb Mendel erkannte den Wanderer sofort. Er rief ihn zu sich und gab ihm einen Brief. „Geh zu diesem reichen Mann, und er wird dir gewiss helfen.“

Sofort machte der Mann sich mit dem Brief auf den Weg. Als er zu dem reichen Wirt kam, wurde er herzlich begrüßt.
br> „Ich erkenne dich nicht mehr“, sagte der Wirt, „doch vorige Nacht ermahnte mich Reb Mendel in einem Traum, eine gute Tat mit einer anderen zu vergelten.“ Dann erinnerte er den Bettler an ihre Begegnung vor etwa fünfzehn Jahren. Er zog eine ehrliche Bilanz all dessen, was er in diesen Jahren erworben hatte, und ging dann mit dem Bettler zu Reb Menachem Mendel. Dort gab er dem Wanderer ein großzügiges Geschenk, und beide wurden erfolgreiche Geschäftsleute.