Schraga war ein einfacher Wagenlenker. Er verdiente ein wenig Geld, indem er Leute von einer Stadt in die andere brachte. Wenn das Wetter gut war, trotteten seine beiden Pferde sicher voran, und wenn dann auch noch ein Kunde kam, war Schraga zufrieden. Aber eines Tages ging es ihm schlecht.

Alles begann zwei Monate vorher, als der Winter anfing. Schraga brach morgens auf, während der Himmel klar und die Luft kühl und frisch war. Aber nach etwa einer Stunde sank die Temperatur plötzlich stark. Wolken überzogen den Himmel, und bald regnete es in Strömen. Ein eisiger Wind drang durch seine Kleider, und er konnte sich kaum noch bewegen. Er schlug auf die Pferde ein, frierend und nass bis auf die Knochen. Es sah aus, als würde es ewig regnen, und die Pferde kamen nur langsam voran.

In wenigen Stunden würde es dunkel sein. Würde er lebendig nach Hause kommen? Auf einmal bemerkte er jemanden, der am Straßenrand bis zu den Knöcheln im Morast stand, heftig winkte und den tosenden Wind zu übertönen versuchte. Schraga hielt an und rief dem Mann zu, in den Wagen zu steigen. Es war ein Jude. Was tat er mitten im Niemandsland auf der Straße?

Die beiden kauerten sich aneinander, und zwei Stunden später erreichten sie wie durch ein Wunder Schragas Haus, wo sie trockene Kleider anzogen und am Ofen heiße Suppe aßen. Der Reisende war kein anderer als der berühmte Rabbiner Mosche Leib von Sassow, der heilige Sassower Rebbe. Auch er hatte sich am Morgen auf den Weg gemacht, um seine alten Eltern zu besuchen, und auch ihn hatte das Unwetter überrascht.

„Du hast mir das Leben gerettet“, sagte der Rebbe. „Darum will ich dir den Segen des Ruhmes und des Reichtums erteilen. Besitzt du etwas Wertvolles?“

„Ich danke Euch Rebbe! Etwas Wertvolles? Nicht viel.“ Schraga zuckte mit den Schultern. „Höchstens meine Pferde. Niemand würde meinen Wagen, mein Haus oder sonst etwas kaufen. Nur meine Pferde haben einen gewissen Wert.“

Der Rebbe sagte ganz sachlich: „Nun, dann ist eines für Purim und eines für Pessach. Aber jetzt muss ich gehen. Ich danke dir noch einmal, und G-tt segne dich!“ Er schüttelte Schraga die Hand und ging. Als er fort war, blieb ein verwirrter Schraga zurück.

„Was meinte er wohl damit?“, sagte er zu seiner Frau. Einige Monate später, kurz vor Purim, starb plötzlich eines seiner Pferde. Ihm blieb nichts anderes übrig, als das Fleisch einem nichtjüdischen Metzger und die Haut einem Gerber zu verkaufen. Jetzt hatte er genug Geld, um Purim angemessen zu feiern und sogar ein paar Gäste einzuladen.

Eine Woche vor Pessach starb auch das zweite Pferd. Wieder hatte Schraga keine andere Wahl, als das Fleisch zu verkaufen. Er bekam dafür genug Geld, um Pessach wie ein König zu feiern. Jetzt verstand er die Worte des Rebbe: „Eines für Purim und eines für Pessach.“ Aber er wünschte, der Rebbe hätte das nie gesagt. Die Feiertage waren schön, aber jetzt hatte er keine Pferde und daher kein Einkommen mehr. Was sollte er tun? Er fragte auf den Straßen und in der Synagoge, ob jemand wisse, wo er etwas Geld für seine Familie verdienen konnte. Vergeblich. Aber er verlor die Hoffnung nicht. Er sprach mit seiner Frau darüber und beschloss, auf Wanderschaft zu gehen. G-tt würde ihm gewiss helfen. Zu Hause wäre er ohnehin verhungert. Also packte er Tallit und Tefillin, einen Laib Brot und Kleider ein und brach am nächsten Morgen auf.

Ein paar Tage später hörte er in einem Wirtshaus, wie zwei Männer sich in einer Ecke laut unterhielten. „Was sollen wir tun?“, sagte einer und schlug verzweifelt auf den Tisch.

„Er entlässt jeden, den wir ihm bringen! Dieser Mann ist verrückt – fünf Verwalter in zwei Monaten! Demnächst sitzen auch wir auf der Straße.“

Sein Begleiter seufzte nur, zuckte mit den Schultern und warf hilflos die Hände in die Luft. Sofort stand Schraga auf und ging zu ihnen.

„Ich bin eben hereingekommen und habe Ihr Gespräch mitgehört. Was für einen Verwalter suchen Sie?“ Die beiden Männer sahen Schraga ungläubig an; dann sagte einer von ihnen: „Der adlige Grundherr braucht einen Verwalter für seine Ländereien. Wir sind bei ihm angestellt. Ihm gehört alles Land in dieser Gegend, und er hat uns beauftragt, einen Verwalter zu suchen. Kämen Sie dafür in Frage?“

Schraga bejahte, und sie brachten ihn zum Grundherren. Aus irgendeinem Grund fand der harte Mann Gefallen an Schraga und stellte ihn sofort ein. Schraga war erfolgreicher, als er je zu träumen gewagt hatte. Er traf immer die richtige Entscheidung und sagte das Richtige zur rechten Zeit. Und der Grundherr schätzte ihn und übertrug ihm immer mehr Verantwortung, bis der Wagenlenker ohne Pferde ein wohlhabender und einflussreicher Wohltäter war, der Hunderten von Familien in der Umgebung ein Einkommen bot und vielen seiner notleidenden Brüder und Schwestern half. Sogar der Grundherr wurde freigiebiger und entspannter.