Vor vielen Jahren lebte in Rabat, Marokko, ein großer Rabbiner, der zugleich Mohel (Beschneider) war. Die Juden besaßen wenig weltliche Güter; ihr größter Segen waren ihre vielen wohlgeratenen Kinder, die ihre Häuser mit Freude erfüllten. Kaum ein Tag verging ohne Brit, und der Rabbi war sehr beschäftigt.
Aber eines Tages fiel ihm auf, dass man ihn seit Wochen nicht mehr zu einer Brit gerufen hatte. Warum kamen keine Jungen mehr zur Welt? Er besprach die Sache mit den Ältesten, die ebenfalls verdutzt waren. Einer von ihnen meinte, das Problem habe begonnen, als der König dem Bürgermeister das alleinige Recht zu Fischen eingeräumt habe. Dieser erhob seitdem eine so hohe Steuer auf Fisch, dass nur noch die Reichsten sich Fisch leisten konnten. Die Juden konnten keinen Fisch mehr auf den Schabbat-Tisch bringen.
„Aha!“, sagte der Rabbi. „Das ist die Erklärung. Es ist wichtig, den Schabbat mit Fisch zu ehren, denn der Schöpfer hat Fische und Menschen gesegnet, als er sagte: ,Seid fruchtbar und mehret euch.‘ Nun aber können die Juden sich keinen Fisch mehr leisten, und darum gilt der Segen nicht mehr für sie.“
Aber der Rabbi hatte eine Idee. Er ging heim und schrieb einige Worte auf Pergament. Dieses ließ er von einem seiner Schüler genau zu dem Zeitpunkt ins Meer werfen, als die Sonne aufging. Die Folgen waren erstaunlich. Als die Fischer hinausfuhren, fingen sie keinen einzigen Fisch! Das Gleiche geschah am nächsten und übernächsten Tag.
Der König, der gerne Fisch aß, merkte sofort, dass er keinen mehr bekam, und beklagte sich bei seinem Koch. Dieser erwiderte, es gebe keinen Fisch mehr auf dem Markt. Der wütende König ließ den Bürgermeister rufen und verlangte eine Erklärung. „Ich habe dir das Monopol über den Fischhandel gegeben, und jetzt kommt kein Fisch mehr auf meinen Tisch! Haben die Fischer aufgehört zu fischen, oder sind alle Fische verschwunden?“
Der zitternde Bürgermeister wusste keine Antwort. Er inspizierte die Fischgründe selbst – vergeblich. Also setzte der König ihm eine Frist: „Wenn du mir in drei Tagen keinen Fisch bringst, lasse ich dich ins Meer werfen. Dann kannst du selbst danach suchen.“
Der erschrockene Mann schickte alle seine Spione aus, um das Rätsel zu lösen. So erfuhr er, dass ein junger Jude etwas ins Wasser geworfen hatte. Sofort ging der Bürgermeister zum König und behauptete, die Juden hätten die Fische verhext.
Der König ließ den Rabbiner rufen, und der sagte zu ihm: „Lang lebe der König! Es stimmt, dass ich für das Verschwinden der Fische verantwortlich bin, aber ich habe sie nicht verhext. Juden dürfen keine Magie anwenden. Ich habe nur den Fischen befohlen, unsere Gewässer zu verlassen, und ich hatte einen guten Grund dafür. G-tt, der Himmel und Erde geschaffen hat, füllte sie mit vielen Dingen zum Nutzen der Menschen. Er schuf Luft und Wasser, Wind und Regen und auch Fische. Niemand darf diese für sich allein beanspruchen. Ich bin der Rabbiner meiner Leute, und ich habe die Ehre, ihnen auch als Mohel zu dienen. Aber seit einigen Monaten werden keine Kinder mehr geboren, und ich fand den Grund dafür: Die Menschen können keinen Fisch mehr kaufen und mit ihnen unseren heiligen Schabbat ehren.“
„Was soll das bedeuten?“, fragte der König. „Was hat das Eine mit dem anderen zu tun?“
„Majestät, G-tt sprach während der Schöpfung drei Segen. Einen für die Fische: ,Seid fruchtbar und mehret euch und füllt das Wasser des Meeres‘. Einen für die Menschen: ,Seid fruchtbar und mehret euch und erfüllt die Erde und herrscht über die Fische des Meeres.‘ Und einen für den Schabbat: ,Und G-tt segnete den Schabbat und machte ihn heilig.‘ Wenn wir den Schabbat mit Fisch ehren, verbinden wir diese drei Segen miteinander, und G-tt segnet uns mit Kindern, die seine heilige Tora studieren.“
Jetzt verstand der König, dass die Armen wegen seines gierigen Bürgermeisters die Früchte des Meeres nicht mehr genießen konnten. Sofort ließ er den Bürgermeister rufen und setzte ihn ab. Am folgenden Morgen bei Sonnenaufgang versammelten sich alle Bürger am Meeresufer, um die wundersame Rückkehr der Fische mitzuerleben. Als der König ankam, ging der Rabbi ans Ufer und rief.
„Fische, hört meinen Befehl! Im Namen des Schöpfers und der Tora befehle ich euch, sofort zurückzukehren und unserem Schöpfer zu dienen!“
Kaum hatte er das gesagt, begann das ruhige Meer zu toben, und Massen von Fischen schwammen auf das Ufer zu. Die Menge jubelte, als die Fischerboote hinausfuhren, um die große Ernte einzuholen.
ב"ה
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