Die Frage wird immer wieder gestellt: Was genau bedeutet das Ereignis am Berge Sinai? Unsere Stammesväter haben die Tora bereits Jahrhunderte vor der "Übergabe" der Tora an die Israeliten zu Schawuot studiert und gelehrt. Laut Talmud haben unsere Vorväter bereits alle Mizwot eingehalten. Doch die "Übergabe der Tora" wird als der entscheidendste Moment in der Geschichte unserer Nation betrachtet, eine Geschichte reich an einschneidenden Ereignissen.

Tatsächlich ist das entscheidende Wort hier Übergabe der Tora. Vor diesem schicksalhaften 6. Siwan, waren wir zwar in die Weisheit der Tora eingeweiht, doch sie gehörte uns nicht. Die Tora kann mit einem prachtvollen Palast verglichen werden: Vor dem Ereignis am Berg Sinai hatten wir freien Eintritt, konnten die Räume besichtigen, die Architektur und Kunstgegenstände bewundern. Am Berg Sinai erhielten wir dann den Kaufvertrag und die Schlüssel ausgehändigt.

Vor diesem schicksalhaften 6. Siwan, waren wir zwar in die Weisheit der Tora eingeweiht, doch sie gehörte uns nichtDer Talmud erzählt ein faszinierendes Ereignis, welches diesen Punkt deutlich klar macht. Rabbi Eliezer der Große war sich uneins mit Rabbi Joschua und den anderen Weisen seiner Generation betreffend der möglichen Unreinheit einer bestimmten Art von Ofen. Rabbi Eliezer verteidigte energisch seine Position, aber ohne Erfolg. Plötzlich erhalte eine Himmlische Stimme im Studiensaal: "Warum streitet ihr mit Rabbi Eliezer? Die Halacha (das Gesetz) folgt immer seiner Meinung!" Rabbi Joschua sprang erregt auf und rief: "Die Tora ist nicht im Himmel!" Die Tora wurde uns am Berg Sinai übergeben und darin steht "die Mehrheit entscheidet". Da die Mehrheit der irdischen Weisen der gleichen Meinung war wie Rabbi Joschua, ist die Meinung überirdischer Wesen, sogar die g-ttliche Meinung selbst, irrelevant. Erstaunlicher Weise lautete die Halacha wie die Meinung der Mehrheit und Rabbi Eliezer der Große wurde exkommuniziert, da er sich der Entscheidung entgegensetzte!

Dies erklärt jedoch nicht ganz die Bedeutung von Schawuot. Sollte es bei diesem Feiertag darum gehen, wer lauter prahlen kann? Ist es wirklich so wichtig, wer die "Rechte" für die Tora hält? Solange es uns erlaubt ist, die Tora zu studieren, wäre es wirklich so schlimm wenn G-tt das Recht hat eine Entscheidung bei der Halacha zu treffen?

König Salomon vergleicht das Ereignis am Berg Sinai mit unserem Hochzeitstag, der Tag an dem G-tt uns aus den Völkern auserwählte und heiratete. Aus Anlass dieser Hochzeit fand der Bräutigam, der Seine Braut liebte (und dies noch immer tut), keine größere Mitgift als die Tora, Sein wertvollstes Eigentum, Seine Kronjuwelen, Seine Freude und Seinen ganzen Stolz. Ferner gab Er sich nicht damit zufrieden, uns diesen Schatz zur Verfügung zu stellen. Er gab ihn uns in Liebe, von ganzem Herzen und bedingungslos.

Darum ist Schawuot so besonders. Es erinnert an den Tag, an dem G-tt uns sein wertvollstes Juwel aus dem Schatzhaus gab. "Glücklich sind diejenigen, deren Schicksal so ist!"

G-ttes Liebe für uns brachte Ihn dazu, uns sein wertvollstes Eigentum zu übergeben. Wie also vergelten wir es Ihm?

Wir haben die zwei Tage Schawuot, um darüber nachzudenken ...