1. Die Tora wurde im Monat Siwan, dem dritten Monat gegeben. Da nun alles – und ganz besonders jede Einzelheit der Tora - von G-tt vorhergesehen ist, versteht es sich, dass die Tora mit dem Motiv der Drei verbunden ist. Darüber hinaus ist die Verbindung der Gabe der Tora mit der Zahl Drei ausdrücklich in den Worten unserer Meister seligen Andenkens belegt1: „die dreifache Tora...(dem dreifachen Volk) im dritten Monat“.

Es scheint schwer verständlich, warum die Tora gerade mit dem dritten Monat verbunden sein soll, ganz besonders, weil doch der Zweck der einen Tora darin besteht, die Einheit des einen Ewigen G-ttes in die Welt zu bringen und hier zu offenbaren. Der Vorzug der Tora besteht also in ihrer Einheit, wozu dann hier die Zahl Drei?

Diese Frage wird noch verstärkt, da ja der dritten Monat zuallererst mit der Tora verbunden ist (und nicht mit dem dreifachen Volk – Anm. d. Übers.“), wie ja unserer Meister seligen Andenkens sagen „die dreifache Tora... im dritten Monat“.

Gebote gab es auch schon vor der Gabe der Tora, so wie die noachidischen Gebote, das Gebot der Beschneidung und jene Gebote, welche in Mara anbefohlen wurden. Wenn auch diese Gebote sicherlich nicht mit denen der Tora am Sinai identisch sind2, so muss man trotzdem zugeben, dass das Prinzip des Gebotes schon früher bestand. Das ganz neue am Wochenfest war hingegen – die Gabe der Tora.

Der Vorzug der Tora gegenüber den Geboten wird im Buch Tanja3 so erklärt, dass man durch die Gebote zu einem Gefährt für G-ttlichkeit wird. Dies deutet an, dass man durch das Erfüllen von Geboten seinen eigenen Willen aufgibt und nur den Willen des Fahrers gehorcht. Obwohl das Gefährt aber keinen eigenen Willen hat, so verharrt es trotzdem in seiner eigenen Wirklichkeit, es wird nicht eins mit dem Fahrer. Mittels der Tora hingegen wird man eins mit G-tt.

Demzufolge ist es noch schwere verständlich, wie es sein kann, dass jene Tora, durch die man mit G-tt vereint wird, ausgerechnet im dritten Monat gegeben wurde.

2. Die Erklärung ist wie folgt: Zweck (der Tora – Anm. d. Übers.) ist tatsächlich die Einheit, nicht – G-tt behüte – die Zweiheit. Wann aber ist diese Einheit vollkommen? Wenn man von der Existenz einer anderen Realität weiß. Wenn man überhaupt keine andere Existenz kennt, dann bleibt es fraglich, ob die behauptete Einheit auch dann Bestand hat, wenn man Kenntnis einer anderen Realität erhält.

Dies geht auch aus jenem bekannten Gleichnis von der Seele, welche in diese Welt herabsteigt, hervor, in dem von einem Prinzen erzählt wird, bei welchem geprüft werden muss, wie stark er mit dem König verbunden ist. Man nimmt ihn also aus dem Palast des Königs und führt ihn an einen weit entfernten Ort, an dem niedrige Menschen leben. Wenn er sich auch dort wie ein Sohn des Königs verhält, dann weiß man, dass er wirklich mit seinem Vater, dem König verbunden ist.

Dies gleicht einem Fall, wenn man an einen Ort der Zweiheit kommt, also an einem Ort, an dem es eine Realität gibt, welche der Einheit entgegenwirkt. Wenn man dort weiter die Einheit behauptet, dann beweist dies, dass man wirklich mit G-tt verbunden war und ist.

Dieses Behaupten der Einheit kann wiederum zwei Ausprägungen erhalten: a) man negiert vollkommen die Existenz einer anderen Realität und beachtet sie in keiner Weise, b) man verwandelt jene andere Realität in ein Werkzeug der Einheit.

Die zweite Form der Einheit ist tiefer und echter als die erste, denn das Außerachtlassen der entgegengesetzten Realität verändert jene nicht, sondern ignoriert sie, und ihre Gegnerschaft zur Einheit nur. Wenn aber die Einheit alles durchdringt, so dass sie jede andere Realität zu ihrem Werkzeug verwandelt, dann ist das Ergebnis wahrhafte Einheit.

3. Die soeben erwähnten drei Ausprägungen finden sich in den drei Monaten Nissan, Ijar and Siwan wieder4.

Nissan ist der erste Monat, in dem der Auszug aus Ägypten stattfindet, und in dem sich den Juden der König aller Könige, der Heilige, gelobt ist er, offenbarte – eine Offenbarung von oben, welche in keinerlei Bezug zum Unten stand. „Denn das Volk entkam“ – man entflieht allem und haftet allein der G-ttlichkeit an.

Ijar ist der zweite Monat. Den ganzen Monat zählt man das Omer – man läutert die sinnlichen Dimensionen der tierischen Seele – und beschäftigt sich demzufolge mit dem Unten, mit der Zweiheit. Obwohl man daran arbeitet, diese andere Realität zu verfeinern, so bleibt sie doch etwas von der G-ttlichkeit Getrenntes. Dies wird auch im Namen des Monats Ijar angedeutet, der sich aus den Anfangsbuchstaben von Awraham, Jizchak, Ja'akow und Rachel bildet, welche die vier Beine des Thronwagens bilden – eines Gefährtes, welches seinen Willen von dem Willen des Fahrers aufhebt, aber trotzdem eine Realität für sich, keine Einheit mit dem Fahrer, bleibt.

Siwan ist der Monat der Gabe der Tora, der dritte Monat. Man nimmt beide Gegensätze – das Oben und das Unten – und verbindet sie zu etwas drittem, welches über ihnen steht, nämlich dem Aufgehen in einer wahren, G-ttlichen Einheit.

Und gerade weil Zweck und Anliegen der Tora die Einheit ist, gerade deshalb wurde sie im dritten Monat gegeben. Wenn man ein Gebot erfüllt, so hebt man tatsächlich seinen eigenen Willen zugunsten des Gebotes auf, man verschmilzt aber nicht zu einer Einheit mit dem Gebot. Durch die Tora hingegen, wird der Intellekt des Menschen eins mit der Weisheit und dem Willen G-ttes. Das Dritte, das ist die Überwindung des Gegensatzes zwischen menschlichem Intellekt und G-ttlicher Weisheit (sozusagen) und derem Aufgehen in einem neuen, dritten Einen.

Daher empfing Mosche die Tora am Sinai. Gebote wurden auch in Mara erteilt, die Tora nur am Sinai, dem niedrigsten aller Berge – dem Verbinder der Gegensätze. Und das Aufheben dieser Gegensätze kommt eben in der Tora zum Ausdruck.