Guten Menschen kann etwas Schlimmes zustoßen. Doch im Gegensatz zu einer verbreiteten Meinung geschieht auch bösen Menschen Böses. Der Unterschied besteht weniger darin, was geschieht, sondern darin, wie die Betroffenen reagieren.

Wenn böse Menschen Pech haben, fühlen sie sich bestätigt: „Ich wusste es!“, sagen sie. „Die Welt ist schlecht. Wenn ich etwas erreichen will, muss ich böser sein als alle anderen.“

Wenn einem guten Menschen Böses geschieht, wird er noch besser.


Vertrauen in G–tt ist eine große Tugend. Der Talmud und andere jüdische Quellen berichten von beispielhaften Frauen und Männern, deren Glaube nie wankte, einerlei, wie schlecht es ihnen ging.

Aber manchmal dürfen wir G–tt nicht vertrauen, sagte Rabbi Israel Baal Schem Tow, der Gründer des Chassidismus.

Vertrauen in G–tt, erklärte er, ist eine große Tugend in unserem eigenen Leben. Aber wenn es um das Leben anderer geht, ist es eine schwere Sünde, allein auf G–tt zu vertrauen. Wenn Sie wissen, dass jemand in Not ist, und dann sagen: „G–tt wird sich schon darum kümmern“, sind Sie nicht fromm. Sie wollen keine Verantwortung für einen Mitmenschen übernehmen.

Das gilt auch dann, wenn Sie eine „philosophische Haltung“ gegenüber Schmerzen und Not einnehmen. Es ist gefühllos, grausam und schlicht falsch, das Leiden eines anderen zu rechfertigen oder etwas Positives darin zu sehen. Wenn Sie nicht gerade ein Prophet sind (dann würde Ihnen vielleicht G–tt erscheinen und sagen: „Geh zu X und sage ihm, Folgendes wird geschehen, weil er gesündigt hat“), ist es nicht Ihre Aufgabe, das Leben anderer zu deuten oder G–ttes Wege zu verteidigen (er braucht Ihre Hilfe nicht).

Doch genau so reagiert ein guter Mensch, wenn es um sein eigenes Leben geht. Wenn ihm etwas Böses widerfährt, sagt er: „Was habe ich falsch gemacht?“ oder: „Jemand versucht, mir etwas zu erklären. Was könnte das sein? Was kann ich daraus lernen?“ Und er erkennt: „Jetzt weiß ich, wie kostbar Gesundheit und Wohlstand sind. Und jetzt weiß ich, was X durchgemacht hat.“

Ein guter Mensch, der vor 850 Jahren lebte, drückte es so aus: „Es ist grausam zu sagen: ‚So ist die Welt eben. Er hat einfach Pech gehabt.‘ Das führt dazu, dass wir an unserer falschen Lebensweise festhalten. Stattdessen sollte ein Unglück unser Herz berühren und uns den Weg zurück zu G-tt zeigen“ (Maimonides).