Mit G-tt zu argumentieren ist eine alte jüdische Tradition. Abraham tat es, Moses tat es, die meisten jüdischen Großmütter tun es regelmäßig. Aber gemäß unseren Weisen, war der erste, der mit G-tt argumentierte, der Mond.
Doch bevor wir uns dieser Geschichte zuwenden, ist es wichtig darauf hinzuweisen, wie absurd es ist, mit G-tt zu streiten. Sie haben hier das erste Glaubenssystem, das einer einzigen G-ttheit absolute Macht zuschreibt. Macht über alles, sowohl im Himmel als auf Erden. Er kennt alles, leitet alles - und alles, was passiert, kommt von Ihm. Alles, einschließlich Abraham, Moses und Ihre Großmutter. Und sie alle haben mit Ihm gerungen.
Das ist noch nicht alles: Sie haben meistens gewonnen.
Wir müssen daher sagen, dass G-tt in der Tat mit uns argumentieren will. Es ist Teil Seines Planes. Darüber hinaus müssen wir sagen, dass Er die Debatten meist gerne verliert.
Ich kann das nachfühlen. Letzten Endes, was ist so aufregend daran, eine passive Welt zu führen, in der die Bewohner mit allem einverstanden sind, was Sie tun? Es gäbe keine Herausforderungen, keinen Nervenkitzel. G-tt wünschte ein interaktives Erlebnis, als Er den Kosmos erschuf. Und eine Menge davon ist in der Tat das Resultat verlorener Debatten mit Seiner eigenen Schöpfung.
Die Rabbiner im Talmud erzählen, als G-tt einmal eine Debatte mit ihnen verlor, lachte Er und sagte: Meine Kinder haben mich besiegt!" (Baba Metzia 59a). Er hat in der Tat große Freude an der Sache.
Mit dem Mond zu argumentieren – und dabei zu verlieren – war ebenfalls Teil des Plans. G-tt hat ihn dazu ausgerüstet.
Der babylonische Talmud (Chulin 60b) erzählt die Geschichte in kryptischer Form. Hier wurde zum ersten Mal der gesamte Dialog aus dem authentischen Zeugnis dieser erleuchteten Weisen wiederhergestellt:
Es war in der Frühe des ersten Mittwochmorgens als die Sonne und der Mond aufwachten und herausfanden, dass sie angefangen hatten, hoch oben am Himmel zu existieren, bereits mitten dabei, den Planeten mit gleicher Intensität zu erhellen. Aus heiterem Himmel beschwerte sich plötzlich der Mond.
"In diesem Fall haben wir also zwei Bosse im gleichen Büro. Was soll der Blödsinn?"
Als aufgeschlossener Arbeitgeber war G-tt in der Tat offen, konstruktive Kritik zu hören. Er betrachtete den Kommentar Seines neugeborenen Kritikers und antwortet: "Gutes Argument."
"Ja?"
"Ja. Daher wirst du höflich gebeten, dich kleiner zu machen."
Nachdem die Schöpfung eine durch Stimme aktivierte Grenzfläche darstellt, wurde der Mond unverzüglich verkleinert. Das ist die Stelle, an dem die eigentliche Debatte beginnt.
"Was für ein mieses System!" rief der Mond. "Man macht hier nur ein Kommentar darüber, wie die Dinge sind und wird dafür gleich geschrumpft!"
Einmal mehr war G-tt vom scharfen Verständnis Seiner Schöpfung beeindruckt. Es schien, dass Er den Mond wirklich gerne mochte und mit seinem Fall Mitgefühl hatte: "Bitte gib Mir eine Chance, das wiedergutzumachen," bat Er ihn.
"Wie denn?" fragte er.
"Wie wäre es denn damit," antwortete G-tt, "die Sonne wird nur für ihre festgelegten zwölf Stunden am Tag scheinen, während dem es dir gestattet ist, in der Nacht und manchmal auch am Tag zu scheinen."
"Schöner Trost!" fauchte dieser zurück. "Mit der schwachen Leuchtkraft, die Du mir gegeben hast, könnte ich genauso gut eine mickrige Kerze am großen blauen Himmel sein!"
"Wenn wir gerade über den Himmel reden" – und der dunkle Himmel fing an zu glitzern, als G-tt sprach – "schau mal, wie Ich den Nachthimmel mit hübschen Sternchen gefüllt habe, die dir Gesellschaft leisten werden!"
"Ich behalte den Schmuck. Doch bin ich immer noch nicht zufrieden. Ich mag es nicht, so klein zu sein."
"Betrachte das Ganze mal aus einer positiven Perspektive," flehte ihn G-tt an. "Was ist am Kleinsein denn so schlecht? Die wirklich großen Menschen der Geschichte werden klein sein! Jakov wird kleiner sein, als sein Bruder Esau. David wird kleiner sein, als seine sieben Brüder. Es wird sogar einen großen Weisen geben, den sie Samuel den Kleinen nennen werden!"
"Toll!" schrie er zurück, "und ich werde der kleine unbedeutende Mond sein. Niemand wird wohl je auf mich aufmerksam werden! Sie werden nur sagen: ‚Wann wird der dumme kleine Mond verreisen und die Sonne wiederkommen mit einem anständigen Licht?'"
"Das stimmt nicht!" betonte G-tt. "Du wirst eine sehr wichtige Funktion in ihrem Leben erfüllen. Schau mal, obwohl die meisten Völker ihre Kalender der Position der Sonne entsprechend und den jeweiligen Jahreszeiten festlegen werden, werde Ich dem jüdischen Volk Anweisungen geben - sobald ich sie aus Ägypten heraushole - ihre Tage nach dem Erscheinen des neuen Mondes zu zählen."
"Und was ist mit den Jahreszeiten?"
"Jahreszeiten?"
"Ja, die Jahreszeiten. Herbst, Winter, Frühling, Sommer. Regenzeit. Trockenzeit. Willst Du mir etwa sagen, dass sie sich nicht um die Jahreszeiten kümmern? Das ist unmöglich. Ich weiß, was Du vor hast. Du planst, sie alle möglichen Anpassungen machen zu lassen, damit ihre Festtage auf die richtige Jahreszeit fallen. Sie werden nachschauen, wo die Sonne gerade steht, und hier und da einen Monat hinzufügen, um mit den Jahreszeiten zu gehen."
"Was ist denn dabei so schrecklich? Sie zählen immer noch Monate, nicht Tage!"
"Siehst Du! Es ist nicht genug, mich zu einem zweiten Platz zu verurteilen! Selbst nachdem ich mein eigenes Gebiet bekommen habe, muss dieses noch zugeschnitten werden, um sich Miss Big dort oben anzupassen!"
Er hielt inne, schnupperte ein wenig, und murmelte: "Kannst du mich nicht einfach wieder groß machen?"
"Aber was wird dann mit meinem Universum sein?" fragte G-tt. "Ich kann dich doch nicht gleichgroß machen wie die Sonne. Das hast du mir doch selbst gesagt. Es muss da ein Protokoll geben, oder sonst gibt es einfach keine Welt!"
"Aha!" rief der Mond. "Dachte ich es mir doch! Du hast das Ganze von vorn herein so geplant. Du hast nur darauf gewartet, dass ich über die Situation nörgle, um eine Ausrede bereit zu haben, wenn du mich dann verkleinerst. Es war eine Falle und ich bin wie ein Idiot hineingefallen! Und jetzt erwartest du, dass ich dir vergebe und meine geplante Rolle einfach so hinnehme, als ob es meine Schuld wäre!"
"Nein, es ist meine Schuld," sprach G-tt nachdenklich. "Ich wollte eine Welt, und eine Welt ist ein Ort, wo es höher und niedriger, größer und kleiner, Eltern und Kind gibt. Eine Hierarchie, wo die Dinge an einem Ort beginnen und anderswo hingehen."
"Und ich muss da wohl das ‚anderswo‘ sein", beklagte sich der Mond. "Der Boden der Pyramide. Ich habe nicht einmal ein eigenes Licht. Ich bekomme nur das, was ich von Ihrer Königlichen Hoheit, Miss Leuchtkraft erhalte, und reflektiere einen gewissen Bruchteil davon auf eine dunkle Erde."
"In meinen Augen bist du kein bisschen weniger als sie. Ihr seid beide meine Werke, und beide von größter Bedeutung."
"Aber das Licht fängt bei ihr an!"
"Bist du sicher?"
"Na klar."
"Dann sieh dir das mal an."
Es war ein unheimliches Gefühl, als die Drehung der Erde plötzlich in den Rückwärtsgang schwang, zusammen mit der Bahn aller Planeten, einschließlich der des Mondes. Das Merkwürdigste aber war der Fluss der Strahlungsenergie, als ob sie nach innen gesaugt würde, zurück vom Mond auf die Sonne. Der Mond begnügte sich nicht mehr damit, Licht zu empfangen und zu reflektieren. Er war plötzlich in der Lage, Licht selbst auszustrahlen und – was am seltsamsten war – als das Licht auf die Sonne kam, war es millionenfach leistungsfähiger.
"Was für einen verrückten Kosmos hast Du denn jetzt gebaut?" rief der Mond.
"Keinesfalls verrückter als die erste", antwortete G-tt. "Was ist besser, die Zeit in die eine Richtung laufen zu lassen oder in die andere?"
"Aber was ist der Sinn des Ganzen?"
"Der springende Punkt ist, dass, soweit es mich betrifft, diese Hierarchie, die dich so sehr stört nicht wirklich existiert. Es ist nur ein Artefakt des Zeit-Kontinuums deiner Welt. Du siehst das Licht, wie es seinen Ursprung scheinbar in der Sonne hat, von ihr ausgestrahlt wird und zu dir kommt. Ich kann sehen, wie sich alle Dinge in die entgegengesetzte Richtung bewegen. Oder jeder beliebigen Richtung. Oder gar nicht. Oder alles auf einmal, denn ich bin jenseits der Zeit. Daher seid du und die Sonne für mich gleich, ihr scheint beide, und das ist alles."
"Sehr fein. Ich bin sehr froh für Dich. Und wenn Du planst, eine dieser Rückwärtswelten zu fabrizieren, werde ich der Erste sein, der sich dazu registriert. In der Zwischenzeit bin ich wohl dazu verurteilt, durch diese Vorwärtsparadigma zu leben, wo ich als Besenwagen fungiere. Und für Dich existieren meine Schmerzen nicht einmal."
"Selbstverständlich existieren sie! Warum hätte ich ansonsten all diese Entschädigungen zu erschaffen gebraucht? Schau mal her, ich zeige dir, was die Zukunft bringt."
Der Kosmos stellte sich ganz schnell auf das Jahr 2448 nach der Schöpfung um. Der Mond stieg über das alte Ägypten, nicht mehr als ein Splitter in den Himmel.
"Was siehst du?" fragte ihn G-tt.
"Pyramiden. Genau das, von dem ich oben gesprochen habe."
"Ja, das ist das Land der Pyramiden. Die ultimative Autorität und Hierarchie. Alles Wissen, alle Macht, aller Reichtum in einer gepflegten Pyramide von höherem zu niedrigerem. Niemand wagt es, die absolute Macht des Pharao in Frage zu stellen. Kein Sklave wagt es, sein Los im Leben als Sklave in Frage zu stellen. Niemand - bis mein Mann in Ägypten kam. Und jetzt werde ich mit ihm reden."
"Moses!"
"Ja, Herr."
"Du hast eine hervorragende Arbeit geleistet. Wie dein Vorfahre, Abraham, die Götzen seines Vaters zerschlug, hast du die Pyramide des ägyptischen Autoritarismus abgeflacht. Du hast die Not der Unterdrückten verfochten und Freiheit und Befreiung in meine Welt gebracht."
"Danke, O Ewiger. Was kommt als nächstes?"
"Jetzt möchte ich dir dein Maskottchen vorstellen. Sie ist das Symbol von allem, was du und deine Mitarbeiter erreichen müssen. Es handelt sich um den Mond, und er ist klein, und er ist demütig und fühlt sich unterdrückt. Du wirst jetzt anfangen, ihn zu erlösen und seinen Status zu erheben, indem du deinen Kalender nach seinen Zyklen bestimmst. Und das soll eine ständige Erinnerung für dich und dein Volk an eure Mission in dieser Welt sein. Denn in dieser Welt, werdet ihr nicht die Stärksten sein, noch werdet ihr die Zahlreichsten sein. Ihr werdet die kleinste aller Nationen sein. Manchmal werdet ihr schwinden und fast verschwinden - sowie auch er am Ende jedes Monats der Mond fast vom Himmel verschwindet, aber nur um wieder zurückzukehren, als unvergängliches Licht, um einmal wieder das Anliegen der unterdrückten und versklavten zu verfechten."
"Sozialen Aktivismus finde ich toll," sagte Moses, "aber was ist mit Spiritualität?"
"Das ist genau der Punkt, wo alles beginnt. Derzeit fördert die geistige Führung den Verzicht auf die niedrigen, erdgebundenen Bereiche, um Erleuchtung zu erlangen. Sie verstecken sich in Höhlen, Almen und auf Berggipfeln und lassen die gemeinsame Welt verwüstet. Dein Volk muss diesen Trend umkehren. Du wirst zeigen, dass die eindrucksvollsten spirituellen Höhen in den weltlichen Angelegenheiten des Alltagslebens zu finden sind. Ich habe eine ganze Menge an Mizwot bereit für euch, die alle die Verbindung des Geistigen mit dem Physischen umfassen. Es ist alles Teil eines großen Planes, um die Pyramiden der Welt platt zu machen und den großen Wert derjenigen zu zeigen, die sich ganz unten befinden."
Moses war sofort begeistert und rief: "Sofort, Mein treuer Erlöser!"
Aber der Mond war noch nicht beeindruckt.
"Das klingt alles ganz gut und schön", sagte er, "aber mir ist nicht so klar, wie du es anstellen wirst, diese Pläne auch in die Wirklichkeit umzusetzen." "Warum? Durch das Ausführen von Mizwot und Handlungen der Güte und Schönheit! "
"Zeig mir das mal."
"Sehr gut."
Tausend Szenen werden abgespielt. Szenen von tapferem Geben, heroische Rettungen, grenzenlose Barmherzigkeit, Szenen des Teilens und der Güte. Die Unterdrückten wurden aus ihrer Not gerettet. Den Erniedrigten wurde ihr Selbstwertgefühl zurückgegeben. Diejenigen, die Unglück und Qualen erlitten, wurden getröstet und geheilt.
"Was siehst du in all diesen Szenen?" fragte G-tt.
"Ich sehe, dass es immer einen hat, der gibt und einen, der bekommt. Und ich verstehe nicht, wenn du Gerechtigkeit willst, warum ermöglichst du dann überhaupt, dass es Ungerechtigkeit gibt?"
"Wenn es kein Ungleichgewicht geben würde, wozu bräuchte es dann Handlungen der Güte?"
"Wer braucht die Handlungen der Güte? Sie verstärken doch nur das ganze hierarchische Schema. Wie ich schon sagte, es gibt diejenigen, die geben und diejenigen, die bekommen. Na wenn das keine Pyramide ... "
"Schau nochmal hin."
Es war eine einfache Szene eines einsamen Reisenden, der an der Tür eines Vorstadthauses klopfte. Die Tür öffnete sich, der Reisende und wurde eingeladen, einzutreten und erklärte seine missliche Lage. Sein Bruder brauchte eine sehr teure medizinische Therapie und er reiste ins Ausland, um Spenden zu sammeln. Der Hausbesitzer hörte geduldig zu und schrieb dann einen bescheidenen Scheck. Mitfühlend wünschte er dem Reisenden viel Glück. Der Reisende im Gegenzug segnete den Hausbesitzer und seine Familie mit einem traditionellen Segen.
"Immer wieder dasselbe", murmelte der Mond, "einer gibt, einer bekommt."
"Schau nochmals hin."
Als der Reisende das Haus wieder verließ und sich in die dunkle Nacht begab, füllte eine tiefe Freude die Herzen derjenigen, die im Haus wohnten. Wärme und Segen strahlte aus ihrem Haus. Irgendwie sind sie alle auf eine höhere Ebene erhoben worden, ihr Haus durchdrungen mit einem Schein des Unendlichen Lichts, das allen Welten vorausgegangen war.
"Nun, wer gibt hier und wer bekommt?" fragte G-tt.
"Aber wie kommt es, dass sie gleich so viel erhalten?" fragte der Mond in Erstaunen.
"Schau jetzt nochmals hin."
Es war ein aktives Klassenzimmer. Die Kinder waren im Stadium der Blüte der menschlichen Intelligenz - etwa zehn Jahre alt. Die Lehrerin kämpfte gerade damit, ihnen eine Idee zu erklären, doch die Studenten bedrängten sie weiterhin mit Fragen.
"Ein weiterer Hierarchie", kommentierte der Mond, "nur, dass dieses Mal die "Ware" intellektuell ist."
"Schau weiter."
Die Lehrerin versuchte einen Punkt klarzustellen. Sie zeichnete ein Diagramm an die Tafel, aber das half auch nicht. Sie zeigte der Klasse Bilder. Aber einige waren immer noch verwirrt. Schließlich schloss sie die Augen, um sich zu konzentrieren. Dann lächelte sie. "Hört zu", sagte sie.
Für einmal saßen die Schüler still und hörten zu, wie die Lehrerin ein Gleichnis erzählte, eine wunderbare Metapher zum Thema, das sie versucht hatte, ihnen zu erklären. Ihre Augen weiteten sich und sie atmete erleichtert auf, als die Idee ihnen endlich klar wurde. Als die Lehrerin fertig war, rief einer der Schüler: "Frau Lehrerin, warum haben Sie es nicht schon vorher so erklärt?"
Die Lehrerin lächelte wieder. "Ich glaube, ich habe noch nie zuvor daran gedacht", antwortete sie.
"Jetzt", stieß G-tt, "wer gibt jetzt und wer wird begünstigt?"
"Passiert das jedes Mal?" fragte der Mond.
"Immer", bekräftigte G-tt. "Es gibt keine Einbahnstraßen in meiner Welt. Nichts, aber auch gar nichts erhält nur ohne mindestens soviel zurückzugeben. Die Armen geben den Reichen, die Schüler ihren Lehrern, die Kinder ihren Eltern, die Kleinen den Großen. Und diejenigen, die andere ausnutzen, bestehlen am Ende nur ihr eigenes Selbst. Du brauchst nur nochmals hinzuschauen und mit größerer Aufmerksamkeit, um den inneren Fluss des Lebens zu sehen."
"Aber sie sind noch klein! " rief der Mond. "Sie sind klein und die anderen sind schon ausgeklügelt! Wenn du schon geben musst, würdest du dann nicht lieber oben sein und nach unten geben? Hättest du nicht gerne etwas Anerkennung? Hey, ich wette, dass das der eigentliche Grund ist, warum du das ganze Universum erschaffen hast: Weil Du eine gewisse Anerkennung für Deine Größe wolltest, denn schlussendlich, wer würde ohne Welt wissen, wie absolut Eins und unendlich Du bist? Nun, ich will auch Anerkennung, ich will gesehen werden, ich will groß und scheinend dort oben sein und jeder da unten wird nach oben schauen und sagen: "Ist das nicht eine tolle Arbeit, was dieser große, scheinende Mond vollbringt!"
"Doch das ist genau das, was die Leute sagen werden! Einmal im Monat wirst du in der dunklen Ausgestaltung der Nacht so hübsch aussehen, wenn du deine Fülle erreichst." "Einmal im Monat", spottete der Mond. "Einmal im Monat lässt du mich wachsen und ein bisschen jemand sein. Und dann, sobald ich den Punkt erreiche, wo ich endlich fühlen kann, dass ich eine gewisse Leistung vollbringe und eine Existenz habe, muss ich wieder anfangen, mich zu verkleinern, bis praktisch nichts mehr von mit übrig bleibt und ich ein nichts bin, ein absolutes Unding am Himmel!"
"Genauso wie die großen Persönlichkeiten der Geschichte, die ich eben erwähnt habe. Auch sie sind groß geworden, indem sie zu nichts wurden."
"Nun werde ich plötzlich groß, indem ich gar nichts bin. Na wenn das kein hinterhältiger Paradigmenwechsel ist... "
"Es ist wahr!"
"Nicht für die großen Jungs, die ich dort unten sehe. Schau mal auf Pharao. Stolziert um seinen luxuriösen Palast herum mit seiner Nase - hoch in den Himmel gereckt. Fährt auf dem Nil in seiner Yacht, als ob er ihn erschaffen hätte. Das Gleiche gilt für alle, für die Caesars, Kaiser, Zaren, Vorstandsvorsitzenden der globalen Organisationen ..."
"Die sind alle nichts, und ihr Ende ist nichts. Ich rede von den wirklich großen, diejenigen, die die ganze Welt auf den Schultern ihrer rechtschaffenen Taten tragen. Schau mal Moses an! Ich wählte ihn aus der gesamten Menschheit für die größte Aufgabe der Geschichte, und was hat er gesagt? "Ich bin nicht gut genug." Das gleiche mit König Saul. Ich musste ihn aus seinem Versteck holen, als er zum ersten König von Israel gewählt wurde. Und König David? Auf der Höhe seines Ruhms, sitzt er in seinem Palast am späten Abend und singt mir Lieder darüber, dass er ein wertloser Wurm ist! Und dann gibt es da noch Harriet Goldberg ..."
Wer ist Harriet Goldberg?"
"Die ganze Welt hat Bestand durch den Verdienst von Harriet Goldberg."
"Wie kommt es, dass ich nicht von ihr gehört habe?"
"Niemand wird von ihr hören. Sie ist eine Kellnerin in einem Schnellrestaurant, wo sie sich darin auszeichnet, ihre guten Taten in aller Diskretion auszuführen. Wie du selbst und all die anderen wirklich Großen – sobald sie anfängt zu leuchten, erinnert sie sich an ihre Nichtigkeit und verringert sich zu einem Zustand der vollständigen geistigen Leere, und das ist das Geheimnis der Macht ihrer Taten."
"Ich wette, dass sie ein so ziemlich elendes Leben führt."
"Sie denkt anders."
"Ich wette, es gibt viel Leid in Deiner Welt da unten."
"Na ja ..."
"Nichts "na ja". Es gibt Leid, es gibt Unheil, es gibt eine Menge Dunkelheit. Und Du willst mir jetzt sagen, dass das alles Teil des Planes ist? Weil aus dem Leiden schlussendlich Gutes kommen wird und aus der Dunkelheit Licht? Das kaufe ich Dir nicht ab. Ich verstehe diese ganze Idee, eine Welt so voller Dunkelheit zu erschaffen, nicht. Die Menschen können Gut von Böse nicht unterscheiden. Wenn es nach mir ginge, würde die ganze Welt mit Licht und Freude und Glück erfüllt sein!"
"Und was soll am Licht so toll sein?" fragte G-tt.
"Ach, komm schon. Nun bist Du aber zu weit gegangen."
"Jetzt mal im Ernst: Warum ist Licht besser als Finsternis?"
"Wenn es Licht gibt, kann ich die Wahrheit erkennen!" erklärte der Mond ganz verzweifelt, "und ich brauch mich nicht mit diesem schrecklichen Gefühl der Sinnlosigkeit und Verwirrung herum zu plagen!"
"Wenn es Licht gibt bekommt man einen Strahl der Wahrheit. In der Dunkelheit kann man das Wesen der Wahrheit berühren."
Nun war der Mond vollständig verwirrt. G-tt fuhr fort: "Lass mich dir mal zeigen, was passiert, wenn du dich zu völliger Dunkelheit verringerst, was die Bewohner der Erde angeht. Setz dich mal in den Vollmond-Modus. OK. Wo befindest du dich bezüglich der Sonne?"
"Nun, dort ist die Sonne, dann ein paar Planeten, dann Erde. Dann, ein bisschen weiter befindet sich meine Wenigkeit. Die Sonne scheint auf mich und etwas von diesem Licht prallt auf die Erde."
"Genau. Lass uns jetzt einmal sehen, wo du bist, wenn dein Licht von der Erde aus nicht mehr zu sehen ist. Wie sieht es jetzt mit deiner Beziehung zur Sonne aus?"
"Nun, jetzt ist die Erde nicht mehr zwischen uns."
"Bist du jetzt also näher an der Sonne oder weiter von ihr entfernt?"
"Näher".
"Siehst du!" sprach G-tt. "Und so ist es mit allen, die in ihrem Leben durch die Dunkelheit reisen. Sie können sich niedergeschlagen und hoffnungslos fühlen – aber in Wirklichkeit sind sie in jenem Moment näher an der Wahrheit als zu jedem anderen Zeitpunkt. Es ist nur wegen jenen dunklen Momenten, dass sie dazu in der Lage sind, auf andere Menschen zu scheinen."
"Aber sie sind in der Dunkelheit! Und Dunkelheit ist doch schlecht!"
"Dunkelheit ist ebenso Meine Schöpfung wie das Licht."
"Nun, ich weiß in der Tat nicht, warum Du sie gemacht hast!"
"Muss ich dir denn alles erzählen?"
"Nein, Du könntest in diesem Fall einfach nachgeben und mich wieder größer machen", schlug der Mond vor.
"Aber dann würdest du nie die Schönheit der Dunkelheit erkennen. Zu jenem Zeitpunkt, wenn die Sonne aufgeht, oder sich in ihrer ganzen Pracht einrichtet, würdest du nicht da sein, um zu verkünden, dass: Nein, das ist nicht die ganze Größe des Schöpfers aller Dinge. Er ist mehr als nur Licht, mehr als ein Kernfusionsgenerator am Himmel, der alle Dinge ins Leben ruft. Er kennt überhaupt keine Grenzen, nicht einmal jene, der unbegrenzten kreativen Fähigkeiten."
"Aber das ist doch genau das, was Du bist", behauptete der Mond. "Der Schöpfer. Du hast all das aus dem absoluten Nichts heraus erschaffen. Und Du hältst es davon ab, wieder zu Nichts zu verfallen, und hältst das Ganze jeden Moment aufrecht."
"Und wenn die Dunkelheit nur ein Tunnel wäre, um das Licht zu erreichen," gab G-tt zu bedenken, "wenn Dunkelheit keinen eigenen Zweck in Meiner Welt hätte, dann würde ich als genau das bekannt sein. Und nichts anderes würde mehr Bedeutung haben. So erschuf ich eine völlige Dunkelheit. Ich stellte eine Welt auf, in der meine Gegenwart derart versteckt ist, dass ihre Bewohner sich völlig unabhängig von mir fühlen. Und dann würden sie freie Wahl haben, die Verantwortung für ihr Leben und für ihr Schicksal zu übernehmen."
"Aber Du bist da!" rief der Mond, "in allem, was geschieht, und in allen Dingen, Du bist das wahre Wesen aller Dinge."
"Aber ich bin mehr als eine Seinsform," erklärte G-tt. "Ich bin auch die Abwesenheit des Seins, und wenn du und die Sonne euch zu diesem Zeitpunkt kurz vor Neumond vereint, ist das der Zeitpunkt, wo die Gegenwart und Abwesenheit des Seins konvergieren. Und dort ist das Wesen von G-tt zu finden."
Der Mond dachte über dieses Thema nach: "So haben sie also freie Wahl. Und in dieser freien Wahl kommt Dein inneres Wesen zum Ausdruck - Dein Sein und Nicht-Sein, wie Du es hier nennst."
"Ja."
"Und deshalb gibt es Dunkelheit und Leid und Unterdrückung und all die anderen Unebenheiten und Unannehmlichkeiten Deiner Welt. Es muss so sein. So können sie nicht nur Deine offenbarte Seite berühren, sondern Dein inneres Wesen."
"Ja."
"Und Dein inneres Wesen ist unbegrenzt und unendlich."
"Ja."
"Warum kannst Du dann nicht alles tun?"
"Ich kann."
"WARUM KANNST DU ES DANN NICHT SO EINRICHTEN, DASS SIE DEIN INNERES WESEN AUCH OHNE DIESE VERWÜNSCHTEN LEIDEN ERREICHEN KÖNNEN?!"
"Das werde ich nicht sagen."
"Dann verlierst Du."
Stille.
Dann wendete sich G-tt wieder an Moses. "Moses!" rief Er.
"Ja, Herr!"
"Könntest du Mir eine Mizwa tun? Es hat mit dem Neumond zu tun. Jedes Mal wenn seine Zeit kommt, so am Anfang eines jeden Monats, möchte ich, dass du Mir ein Sühneopfer bringst."
"Ein Sühneopfer für wen?" fragte Moses.
"Für Mich. Weil Ich das Licht des Mondes vermindert habe. Und weil es Leid und Unterdrückung in Meiner Welt gibt. Und Dunkelheit."
"Aber G-tt", fragte Moses. "Warum annullierst Du denn das Leid nicht einfach?"
"Das ist dein Job, Moses."
"Warum hast Du es denn überhaupt in die Welt gestellt? Wer hat Deine allmächtige Hand dazu gezwungen?"
"Was, jetzt auch du?"
G-tt hielt ein. Moses wartete. Schließlich sprach Er: "Moses, du weißt, dass ich dir alle Geheimnisse des Kosmos offenbart habe. Ich habe für dich jede Kammer der innersten Weisheit geöffnet, alle Tore des esoterischen Verständnisses. Ich habe nichts vor dir geheimgehalten, sondern dir Meine ganze Tora gegeben, meine wichtigste Weisheit, um sie mit dir zu teilen und sie dein Volk zu lehren."
Moses hörte geduldig zu.
"Aber es gibt da eine Sache, die ich dir, so lange du in dieser Welt lebst, nicht preisgeben kann, eine Sache, zu der ich sagen muss: "Keine Widerrede! Ich habe beschlossen, dass es sein muss! Das gehört zu Meinem Plan."
"Aber sag mir doch warum!" bat Moses.
"Moses", fragte G-tt, "wenn du die Antwort wüsstest und verstehen würdest, warum von einem allmächtigen und wohltätigen G-tt unbedingt Leid kommen muss, was würdest du dann tun?"
"Ich glaube, ich würde mich nicht mehr so schlecht fühlen wenn schlechte Dinge passieren."
"Genau. Und das ist genau das, was Ich nicht will. Ich will nicht, dass du die Hände in den Schoß legst. Ich will nicht, dass du die Dunkelheit tolerierst. Du musst sie mit jeder Faser deines Körpers bekämpfen, mit aller Kraft deiner Seele, bis du jeden Funken des Lichts aus seiner Gefangenschaft erlöst hast, bis du die bitteren Orte süß gemacht hast, bis du keine Ecke Meiner Welt unberührt gelassen hast von Handlungen der Güte und Barmherzigkeit ... bis dann musst du die Dunkelheit hassen wie einen geschworenen Erzfeind. Daher, bis zu jenem Zeitpunkt, wo ich die Tränen der Trauer aus jedem Gesicht wischen werde, wo alle Dunkelheit - auch das Dunkel der Vergangenheit - zu Licht wird, wie das Licht vom ersten Tag der Schöpfung, wenn, wie Jesaja sagt, das Licht des Mond so groß sein wird, wie das Licht der Sonne, bis dahin wirst du gebeten, für Mich zu büßen."
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